Angesichts der multiplen Krisen unserer Zeit und insbesondere der Klimakatastrophe stoßen Argumente für Planwirtschaft auf immer größere Resonanz. Das zeigt der Erfolg von Bestsellern wie »Systemsturz« von Kohei Saito oder Ulrike Herrmanns »Das Ende des Kapitalismus«. Tatsächlich gibt es Anhaltspunkte dafür, dass eine moderne demokratische Planwirtschaft viel eher in der Lage sein könnte, die Wende von fossilen zu erneuerbaren Energien zu leisten als die kapitalistische Ökonomie.

Blockierte Energiewende im Kapitalismus

Noch immer herrscht bei der Energiewende großes Vertrauen in die Marktkräfte. Dabei wird vor allem auf die Idee der Preissteuerung gesetzt. Sie soll mit staatlichem Einfluss dafür sorgen, dass grüne Energie immer billiger und fossile Energie im Vergleich immer teurer wird. So soll sich der Umstieg für das Einzelkapital lohnen, sodass die Entscheidungen einzelner Unternehmen und Investoren die Energiewende von selbst vorantreiben. Doch der Schein trügt. Eine echte Energiewende wird im Kapitalismus aus mehreren Gründen blockiert. So gibt es in der Industrie einen riesigen Bestand an fixem fossilen Kapital, gebunden in fossilen Produktionsmitteln und fossiler Energieinfrastruktur. Die nötige Elektrifizierung der Industrie würde für das Einzel­kapital enorme Kosten verursachen, weil ihre Anlagen noch profitabel genutzt werden können und der Umbau große und unsichere Investitionen verlangt. Deswegen legen das Kapital und seine Ideolog*innen so viel Wert auf die Anschlussfähigkeit grüner Energie an fossile Infrastrukturen. Sie setzen sich für Biokraftstoffe, grünen Wasserstoff und E-Fuels ein, die zwar im Vergleich zur direkten Nutzung grünen Stroms kompatibler, besser speicherbar und mobiler sind, aber ökologisch fragwürdig im Falle der Biokraftstoffe und energetisch extrem ineffizient im Falle der anderen (Vettese/Pendergrass 2022).

Es ist mehr als unklar, ob die Preise von Energiespeichern und grünem Wasserstoff ähnlich sinken werden wie aktuell bei Solar- und Windenergie. Erneuerbare Energien sind physisch begrenzt: durch den Flächenverbrauch, durch ihre natürliche räumliche und zeitliche Schwankung und die Notwendigkeit der Speicherung sowie durch die absehbare Knappheit der dafür benötigten Ressourcen wie etwa Mineralien. Vermutlich wird die Nachfrage nach grüner Energie durch die Energiewende enorm steigen, während das Angebot physisch begrenzt ist. Effizienzgewinne durch Wärmepumpen oder andere Einsparungen können dies vermutlich nicht kompensieren, sodass grüne Energie womöglich knapp und teuer wird (vgl. Herrmann 2022). Die Unternehmen werden die höheren Kosten entweder an die Konsument*innen weitergeben, was die Gesamtnachfrage senkt, oder ihre Gewinne werden von den Kosten aufgefressen. Beides könnte eine rezessive Abwärtsspirale auslösen und mit Insolvenzen und Arbeitslosigkeit einhergehen. Nicht zufällig wurden die großen Wirtschaftskrisen der letzten Jahrzehnte durch Energiekrisen ausgelöst wie die infolge des Ölpreisschocks in den 1970er-Jahren oder des russischen Kriegs gegen die Ukraine.

Weil die Probleme einer marktgesteuerten Energiewende immer offensichtlicher werden, ist ein neues Bewusstsein für die Notwendigkeit (national)staatlicher Eingriffe entstanden. Auch in einer kapitalistischen Marktwirtschaft gibt es einen gewissen Zwang zur sozialen Kontrolle der Wirtschaft, der sich im Staat geltend macht (Devine 1988). So gibt es seit einigen Jahrzehnten eine dezidierte staatliche Industriepolitik mit Blick auf die Energie­wende, etwa das Kohleausstiegsgesetz, Infrastrukturinvestitionen oder die EEG-Umlage zur Finanzierung des Ausbaus erneuerbarer Energien (siehe Witt in diesem Heft).

Die Handlungsfähigkeit des Staates ist im Kapitalismus jedoch beschränkt, weil er von der Leistung und den Gewinnen der Privatunternehmen abhängig bleibt. Staatliche Planung im Kapitalismus hat historisch dann funktioniert, wenn sie die Kapitalakkumulation durch Verteidigung des Nationalstaats absicherte, so wie in den kapitalistischen Kriegsökonomien in Großbritannien und den USA im Zweiten Weltkrieg. Hier entstand eine Art kapitalistische Zentralplanung, weil das Kapital den Fortbestand seiner Profite an das unmittelbare Überleben des Nationalstaats gebunden sah und den Notstandsregierungen vorübergehend weitreichende Exekutivbefugnisse eingeräumt wurden. Staatliche Planung funktionierte zudem immer dann, wenn sie die Kapitalakkumulation direkt ankurbelte, wie in Japan und den asiatischen »Tigerstaaten« ab 1950. Der Staat könnte an sich also durchaus in Richtung einer Energiewende planen und steuern. Kapitalistische Planung, die sich über die unmittelbaren Interessen der Einzelkapitale zugunsten des ›ideellen Gesamtkapitalisten‹ hinwegsetzt, ist im Kapitalismus aber nur möglich, wenn sie im Einklang mit einer langfristigen Kapitalakkumulation und im Interesse breiter Kapitalfraktionen ist. 

In Bezug auf die Energiewende setzen die heute dominanten, vom Kapital favorisierten Strategien auf »grünes Wachstum«, das heißt das Wachstum, ergo die Kapitalakkumulation, soll vom Energieverbrauch entkoppelt werden. Eine ausreichende Entkopplung findet aber real nicht statt (Vogel/Hickel 2023). Zwar werden mehr erneuerbare Energiequellen erschlossen, doch der Verbrauch fossiler Energien geht etwa in Deutschland seit den 2000er-Jahren kaum zurück. Weltweit steigt er an und wird viele Zugewinne bei den Erneuerbaren aufzehren. So werden fossile Energieträger wohl noch 2050 die Hälfte des weltweiten Energieverbrauchs ausmachen (Blümm 2022). Die größere Energieeffizienz wird zu großen Teilen durch das Wachstum der Produktion kompensiert (»Rebound-Effekt«). Die einzig verbleibende Option, Energieverbrauch und Emissionen zu senken, besteht darin, die Produktion zu kontrahieren bzw. zu schrumpfen.

Kontraktion ist in einer kapitalistischen Marktwirtschaft jedoch kaum bewusst und geordnet möglich, sondern findet meist krisenhaft statt (degrowth by disaster). Hohe Energiepriese hätten als Preisausdruck der nötigen Schrumpfung krisenhafte Wirkungen. Einige profitable, aber klimaschädliche Aktivitäten müssten ganz eingestellt werden. Dies widerspricht dem Interesse wichtiger Kapitalfraktionen, sodass auch »grüne« Industriepolitik schnell an systemimmanente Grenzen stößt und weitere wirtschaftliche und soziale Verwerfungen zur Folge hätte. Genau deshalb plädiert etwa Ulrike Herrmann für ein geplantes Schrumpfen mit sozialen Garantien durch eine ökologische »Kriegswirtschaft« (unter Beibehaltung des Privateigentums). Angesichts der Klimakrise und ihrer langfristigen und globalen Dimensionen sind die Voraussetzungen für eine kapitalistische Kriegswirtschaft jedoch nicht gegeben.

Wie der Kapitalismus mit Blick auf die Energiewende scheitert, zeigt sich besonders deutlich im Verkehrssektor: Die Abhängigkeit von der Kapitalakkumulation in diesem Sektor blockiert die Mobilitätswende und verhindert den Rückbau der Autoflotte. Der Auf- und Ausbau einer umfassenden ÖPNV-Infrastruktur wäre mit gigantischen initialen Fixkosten verbunden und entlegene Netzwerkknoten sind kein profitables Geschäft. Der Staat müsste diese Aufgaben übernehmen, doch er wagt es nicht, dem motorisierten Individualverkehr entgegenzutreten. Gerade in ländlichen Regionen bleiben die Menschen so auf ihr (fossiles) Auto angewiesen. Über stark regressiv wirkende Benzinsteuern wälzt eine unsoziale Klimapolitik die Kosten der Energiewende auf diejenigen ab, die am wenigsten Einkommen und Vermögen haben, und individualisiert das Problem. Welche soziale Sprengkraft das hat, haben die Proteste der »Gelbwesten« gezeigt. Der carbon lock-in bei der Mobilität (und auch beim Wohnen) kann durch eine Politik im Interesse von Kapitalakkumulation und Privateigentum nicht gelöst werden.

Mit Planwirtschaft zur Energiewende?

Wenn wir die Klimakrise ernst nehmen, müssen wir schnell und umfassend auf erneuerbare Energien umsteigen und zugleich den Energieverbrauch (und damit Emissionen) durch eine Kontraktion der Produktion senken. Eine demokratische Planwirtschaft, so möchte ich behaupten, könnte diesen Umstieg eher leisten. Hinweise darauf geben die Arbeiten des Wirtschaftshistorikers Robert C. Allen (2003), der unter anderem zur sowjetischen Industrialisierung geforscht hat und sozialistischen Neigungen gänzlich unverdächtig ist. Für ihn war die zentral geplante Industrialisierung der Sowjetunion im engen ökonomischen Sinne »effizient« – ungeachtet ihrer beispiellosen Brutalität und des politischen Terrors. In schwindelerregendem Tempo verwandelte sie das agrarische Russland in eine moderne industrielle Ökonomie. Allen argumentiert, dass arme, agrarisch geprägte Länder in einem »Gleichgewicht niedriger Investitionen« gefangen seien. Die atomistisch getroffenen Entscheidungen einzelner Wirtschaftsakteure könnten nicht die Entwicklung großer Fabriken oder Infrastrukturen vorantreiben, weil jede einzelne Investition für sich betrachtet unrentabel wäre. Eine koordinierte Planung könne jedoch den »Big Push« erreichen, der durch große industrielle Investitionen eine selbsttragende Entwicklung anstößt. Entscheidende Elemente der sowjetischen zentralen Planwirtschaft sind für Allen die Verstaatlichung der Industrie, die hohen Investitionen in die Schwerindustrie, die ehrgeizigen zentralen physischen Planvorgaben und die »weichen Budgetbeschränkungen« für Unternehmen, die sie vom Zwang der individuellen Kostendeckung befreien und damit wesentlich mehr Beschäftigung in der Industrie erlauben als im Kapitalismus. Ohne zentrale Planung, so Allen, wäre eine so rapide Industrialisierung »um jeden Preis« nicht möglich.

Der sowjetische Sozialismus muss natürlich von einem genuinen Sozialismus unterschieden werden – als autoritäres und brutales System verdient es diese Bezeichnung nicht. Dennoch kann man aus seinem ökonomischen Mechanismus lernen, welchen anderen Gesetzen eine nichtkapitalistische Wirtschaft folgt. Sie ermöglichen rasanten, umfassenden Wandel und könnten so helfen, die aktuellen ökologischen Herausforderungen zu meistern. Sie könnten von den autoritären Strukturen abgelöst werden, in die sie eingebettet waren.

Eine demokratische Planwirtschaft sollte zwar nicht, wie im sowjetischen Modell, umfassende physische Produktionsziele zentral bestimmen und top-down vorgeben (»Materialbilanzen«). Aber zumindest sektoral und insbesondere im Hinblick auf die Energiewende sollte zentral geplant werden (Adler 2019). Allen zeigt, dass zentrale Planung insbesondere bei einem großen Strukturwandel und Investitionen in Schwerpunktsektoren eine erhebliche ökonomische Rationalität entfaltet. Denn eine Planwirtschaft ermöglicht viel größere Weitsicht und Handlungsfähigkeit über Raum und Zeit als eine spontane und atomistische Marktordnung (vgl. Laibman 1992). Genau das brauchen wir für die Energiewende. Zumindest in einigen Sektoren sollten daher zentrale Output-Ziele und »weiche Budgetbeschränkungen« für Unternehmen gelten. 

Die demokratische Planwirtschaft würde dabei eine gesamtwirtschaftliche Rechnungslegung ermöglichen, die von vorneherein wechselseitige Abhängigkeiten, ökologische und soziale »Externalitäten« sowie den Weitblick in die Zukunft einbezieht. Das würde sich wesentlich von der isolierten Kosten-Nutzen-Rechnung einzelner kapitalistischer Unternehmen unterscheiden, die eine Energiewende in der Summe unrentabel macht. Lenin proklamierte, dass die sozialistische Revolution mit der »Elek­trifizierung des ganzen Landes« einhergehen müsse. Analog möchte ich behaupten, dass eine demokratische Planwirtschaft in der Lage ist, schnell und umfassend eine grüne Energieinfrastruktur und die Elektrifizierung der Industrie hochzuziehen, koste es, was es wolle. Zudem kann sie im Gegensatz zur rein monetären Dimension auch konkrete physische Dimensionen und Trade-offs einbeziehen und verhandelbar und planbar machen – etwa eine demokratische Abwägung von Energienutzung und Landnutzung, Klimaschutz und Artenschutz. Absolute Obergrenzen für Emissionen und den Verbrauch kritischer Ressourcen könnten auf zentraler Ebene festgelegt und in physische Vorgaben für Sektoren und Unternehmen übersetzt und rationiert werden (Vettese/Pendergrass 2022).

Noch einmal: Das heißt nicht, dass die gesamte Wirtschaft zentral geplant werden sollte. Eine demokratische Planwirtschaft sollte verschiedene neue Modelle kombinieren: einerseits die sektorale zentrale Planung mit Blick auf die Energiewende und andererseits ein Gesamtmodell, das in weiten Teilen auf eine kybernetische Steuerung der Wirtschaft setzt. Diese basiert erstens auf der substanziellen lokalen Autonomie von vergesellschafteten Unternehmen und zweitens auf der Beteiligung der Bevölkerung am Planungsprozess (Devine 1988). Eine demokratische Planwirtschaft könnte so etwa den ökologisch notwendigen Ausbau des öffentlichen Personenverkehrs bewerkstelligen – mit einer demokratisch kontrollierten zentralen Ebene, die über langfristige Planungskompetenz und Durchsetzungsfähigkeit verfügt. So konnte etwa die Kriegswirtschaft der USA im Zweiten Weltkrieg einen historisch beispiellosen Ausbau des öffentlichen Personenverkehrs erreichen (Silk 2016).

Demokratisch planen: Schrumpfung und soziale Sicherheit

Im Gegensatz zu einer nur krisenhaft vorstellbaren wirtschaftlichen Schrumpfung im Kapitalismus könnte eine Planwirtschaft soziale Sicherheit gewährleisten (degrowth by design). Die britische Kriegswirtschaft, auf die sich Ulrike Herrmann bezieht, brachte trotz enormer Schrumpfung der zivilen zugunsten der militärischen Produktion ein nie gekanntes Maß an sozialer Gleichheit mit sich. Nicht nur, weil zu viel soziale Ungleichheit den nationalen Konsens (den Burgfrieden zwischen Kapital und Arbeit) untergraben hätte, sondern auch weil der ökonomische Mechanismus hier ganz anderen Gesetzen folgte als der einer Marktwirtschaft. Der Kapitalismus ist nicht nur schlecht darin, durch Strukturwandel verursachte Arbeitslosigkeit zu handhaben (siehe Deindustrialisierung), sondern er produziert Arbeitslosigkeit strukturell. Eine Planwirtschaft ermöglicht Vollbeschäftigung. Eine planwirtschaftliche Energiewende wäre also in der Lage, während des radikalen Strukturwandels und der Schrumpfung ökologisch schädlicher Sektoren volle soziale Sicherheit und Beschäftigung zu gewährleisten.

Wie die Sowjetunion seit den 1960er-Jahren scheitert auch das kapitalistische Wirtschaftssystem derzeit, sich an neue Herausforderungen anzupassen. Es ist Zeit für eine sozialistische, ja planwirtschaftliche »Schocktherapie«