Wie hängen für dich Fragen der Stadtentwicklung mit Wasserversorgung zusammen?

Der Klimawandel stellt uns auch in Berlin vor neue Herausforderungen. Wir sehen zunehmend große Dürren, aber auch heftige Niederschläge, sodass der Boden das Regenwasser nicht mehr aufnehmen kann. Jeder Neubau und jede Versiegelung der Fläche verschärfen das Problem. Immer mehr Architekt*innen werben deswegen dafür, dass wir die Stadt nur noch um- und nicht mehr neu bebauen. Für die LINKE ist es aber auch zentral, ökologische Planung mit sozialen Fragen zusammenbringen. Denn wir brauchen mehr bezahlbaren Wohnraum – auch für Geflüchtete. Es ist eigentlich einfach: Alte Shoppingcenter, Bürogebäude, Parkhäuser und dergleichen könnten in Wohngebäude transformiert werden. Also vor allem Umnutzung statt Neubau. Darüber hinaus müssen wir Fläche sparen, indem wir spekulativen Leerstand beenden, die Gebäude kommunalisieren sowie Maximalgrößen für Neubauwohnungen festlegen. Schon hat man die Frage nach demokratischer Verteilung der Fläche in der Planungsdebatte. Das ist scheinbar weit weg von der Wasserfrage, aber eigentlich ganz nah dran.

Das berührt viele Grundsatzkonflikte, etwa die Bodenfrage, aber letztlich auch die Frage, welche Industrien und Wirtschaftszweige sich ansiedeln sollen.

Die Bodenfrage ist zentral, wenn es um die demokratische Planung von Gemeinden und Wirtschaftsansiedlungen geht und damit auch um die Verteilung von Naturressourcen. In Berlin ist etwa die Frage der Wasserverteilung sehr undurchsichtig. Vor zwei Jahren habe ich im Abgeordnetenhaus eine kleine Anfrage nach dem Wasserverbrauch industrieller Großabnehmer gestellt. Die damals von den Grünen geführte Senatsverwaltung für Umwelt sagte, das unterliege dem Datenschutz. Wir haben weitergebohrt, auch das Recherchenetzwerk Correctiv hat das Thema bundesweit beleuchtet und festgestellt: Der Großteil der Bundesländer veröffentlicht diese Zahlen, aber nicht Berlin. Transparenz ist eine zentrale Voraussetzung, wenn wir über eine gerechte Verteilung von Wasser sprechen wollen. Solange wir nicht wissen, wie viel Wasser verbraucht wird durch Vattenfall, Coca Cola und andere große Konzerne, sollten wir uns nicht auf Scheindebatten einlassen.

»Transparenz über die Nutzung von Wasser ist eine zentrale Voraussetzung für eine andere Verteilung.«

Als Sozialist*innen müssen wir natürlich die Frage der gesellschaftlichen Notwendigkeit von Produktion stellen und Wasserverschwendung als Klassenfrage diskutieren: weg vom Pool des Kleingärtners hin zu den Pools in den großen Hotels und den Hotelketten, die in Berlin massenweise neue Gebäude bauen und unendlich viel Wasser verplempern für einen Wirtschaftszweig, der null nachhaltig ist.

Habt ihr erreichen können, dass Zahlen zum Verbrauch der Industrie offengelegt wurden?

Wer die größten privaten Verbraucher sind, haben wir leider nicht erfahren. Campact hat dagegen geklagt, der Prozess läuft noch. Wir wissen aber aus offiziellen Statistiken, dass 2019 ein Viertel des Wassers aus der öffentlichen Versorgung an große Gewerbetriebe ging. Unklar ist, an wen genau. In der Frage brauchen wir Transparenz und Demokratie! Als LINKE sollten wir in diesen Konflikt voll einsteigen und das Thema bundesweit und kommunal auf die Agenda setzen, denn die Frage ist für jeden alltagsrelevant.

Aber auch schwer diskutierbar. Man muss gegen das Argument ankommen, man vernichte Arbeitsplätze.

Genau darüber müssen wir diskutieren, das sind Grundfragen einer antikapitalistischen Partei, die für eine Demokratisierung der Wirtschaft und eine sozialistische Gesellschaft kämpft. Es gibt genug Branchen, die wir als Arbeitgeber in der Region brauchen. Aber warum brauchen wir Ansiedlungen wie Tesla in Brandenburg, wo viele Ressourcen verschwendet werden für eine sogenannte Zukunftstechnologie, die keine Probleme löst, sondern neue Engpässe und Konflikte produziert? Noch dazu pfeift Tesla auf Arbeitnehmer*innenrechte. Die Frage der Wasserverteilung ist dabei nur ein Element einer sozialen Raumordnungs- und Raumverteilungspolitik, die lange Zeit klarer geregelt war. In der BRD etwa hat man definiert, wo Ober- und Unterzentren sind und wie sie im Verhältnis zueinander stehen. Diese sozialstaatliche, strenger regulierte Planung, die es vor allem in der DDR, aber eben auch in der Bundesrepublik gab, ist im Neoliberalismus total verlottert. Da müssen wir ran, weil es um unsere Lebensgrundlagen und das gute Leben für alle geht.

Eine Frage ist, wer verbraucht wie viel Wasser, die andere: Was kostet das Wasser und wohin fließen die Einnahmen aus den Wasserentnahmegebühren?

Zunächst einmal: Wasser ist ein Gemeingut, das nicht der Profitabilität unterliegen darf. Aber es braucht auch gigantische Infrastrukturen für die Wasserversorgung, etwa Rückhaltebecken oder die Kanalisation, die gepflegt und ausgebaut werden müssen. Und das bei gut entlohnter Arbeit. Im Zweifel ist die Wasserversorgung also ein Zuschussgeschäft für den Staat. Einsparmöglichkeiten gibt es anderswo. Wir müssen aber auch darüber sprechen, wie wir bei den Wassergebühren stärker eine Regulierung mit sozialer Staffelung hinbekommen, sodass die großen privaten Unternehmen, aber auch Hausbauer stärker in die Pflicht genommen werden. Wir unterstützen auch die Forderung des BUND nach einem Oberflächenwasser-Entnahmeentgelt für Industrieverbraucher. Was die Frage der zweckgebundenen Investitionen angeht: Dafür gibt es sehr gute Gründe. Berlin muss etwa massiv in den Umbau der Kanalisation investieren.

Wo sind politische Ansatzpunkte, um insgesamt eine gerechte Wasserwirtschaft hinzubekommen?

Aus meiner Sicht ist es wichtig, die Wasserrahmenrichtlinie der EU endlich einzuhalten. Das hat viel mit Gewässerschutz und -umbau zu tun. Der Gewässerumbau in Berlin nach 200 Jahren Industriemetropole kostet richtig viel Geld. Das Wachstum der Stadt geht auf den industriellen Reichtum zurück. Gut verdient haben vor allem die Eigentümer*innen, während die sozialen und ökologischen Folgeschäden einfach über Jahrzehnte »vergesellschaftet« wurden. Wer zahlt jetzt dafür, wenn die Gewässer toxisch und in einem bemitleidenswerten Zustand sind? Anstatt diese Herausforderung anzunehmen und sich darum zu kümmern, werden jetzt schon Millionenbeiträge beiseite gepackt, um Strafen für die Nichteinhaltung der Richtlinie zu finanzieren. So geht's nicht!

Welche Akteure und Ansatzpunkte siehst du, um eine sozial gerechte und ökologische Wasserplanung voranzutreiben?

Mehrere Initiativen haben die Debatte über die öffentliche Daseinsvorsorge in der Stadt geprägt: der Energietisch, der Wassertisch, aus dem die Blue Community hervorgegangen ist, und die Mietenbewegung sowie Deutsche Wohnen & Co. enteignen. Alle haben einen basisdemokratischen Anspruch, das heißt, es geht um die Forderung nach echter Demokratisierung, Mitbestimmung und Mitverwaltung. Für die kommunalen Wohnungsbestände etwa hatte die Initiative Mietenvolksentscheid vorgeschlagen, Quartiersräte einzurichten. Daran kann man anknüpfen: Die Menschen sollen in ihren Vierteln nicht nur über die Quartiers- und Mietengestaltung mitbestimmen, sondern auch die Frage der Wasserversorgung mitdiskutieren. Da kann man gut die Arbeit vom BUND und der Wassernetz-Initiative ein­speisen. Es muss dafür gelingen, das Spezialwissen über Natur- und Gewässerschutz so aufzuarbeiten, dass die Debatten für viele Menschen anschlussfähig sind. Was die öffentlichen Wasserbetriebe betrifft: Da geht es beispielsweise um Mitbestimmung bei der Frage der Begrenzung von Managergehältern oder bei der Entscheidung, welches Wasserwerk eine größere Fördermenge erhält. Das sind weitreichende Fragen und harte Konflikte!

Harte Konflikte haben wir bereits in Brandenburg, Stichwort: Wasserverbrauch der Gigafactory Tesla.

Ich hätte die Ansiedlung gerne unter dem Gesichtspunkt gesamtgesellschaftlicher Planung diskutiert. Was bedeutet das für die Versorgung mit Wohnraum, mit Kitas und allem, was dazu gehört? Stattdessen wurden von der Brandenburger Landesregierung schnell Fakten geschaffen. Und es verdichten sich die Hinweise, dass es mit Tesla Vorabsprachen mit Regierungsmitgliedern gab. Das ist zutiefst undemokratisch. Jetzt haben wir eine Situation, in der die Wasserversorgung für die Menschen vor Ort akut gefährdet ist. Darauf haben Umweltverbände von Anfang an hingewiesen. In Berlin haben wir immer wieder darauf gedrängt, dass die Berliner Wasserbetriebe der letzten Ausbaustufe nicht zustimmen, weil damit auch die Wasserversorgung in Berlin gefährdet würde. Diese Frage ist nach wie vor nicht klar beantwortet. Mich erinnert das ganze Vorgehen sehr an die Ansiedlungs­prozesse nach 1990 in Ostdeutschland.

Inwiefern?

Bei großen Ansiedlungen wurde in der Geschichte der Bundesrepublik immer ein Regionalverband zur überregionalen Koordinierung gegründet, um Risiken, Folgen und Bedarfe zu kalkulieren und eine umfassende Planung abzusichern – mit Beteiligung von Expert*innen aus den Ministerien, aus regionalen Verbünden, mit ausreichend Finanzen und Personal. Das hat die Landesregierung im Fall Tesla unterlassen. Solche Versäumnisse sind leider Tradition seit den Privatisierungsorgien der Treuhand. So hat man dem kleinen und personell schon unterausgestatteten Stadtplanungsamt Hangelsberg die Aufgaben auf den Tisch gelegt und offenbar einkalkuliert, dass die Mitarbeiter*innen unter der Last der Aufgaben der Planung einer Gigafactory zusammenbrechen und kapitulieren. Die Menschen vor Ort haben das durchschaut und sehen klar, wie hier Profite gegen Mitbestimmung und die Lebensbedingungen vor Ort gestellt werden. Ich freue mich, dass zwei Drittel der Abstimmungsberechtigten gegen die Erweiterungspläne von Tesla gestimmt haben. Jetzt muss die Linke an der Seite der Menschen vor Ort in diese Auseinandersetzung einsteigen und für Demokratie und einen sozial-ökologischen Umbau kämpfen.


Das Gespräch führten Harry Adler und Eva Völpel.

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