Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden in Frankreich verschiedene Institutionen und Instrumente für den wirtschaftlichen Wiederaufbau und die langfristige Neuordnung der Gesellschaft geschaffen. Eine zentrale Rolle spielte die Generalplanungskommission (Commissariat général du Plan, CGP), die 1946 vom Präsidenten der provisorischen Regierung, Charles de Gaulle, gegründet wurde. Die Entscheidung für eine umfassende Planung fiel interessanterweise unter dem Einfluss der Vereinigten Staaten, die das Ziel verfolgten, die Hilfen des Marshallplans in geordnete Bahnen zu lenken.

Dass die Planung zentral für Wiederaufbau und Aufschwung der französischen Wirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg war, ist allgemein anerkannt. Allerdings hat der Neoliberalismus ab den 1980er-Jahren einen Rückgang der Planungsbemühungen bewirkt. In gewissem Sinne ist unsere Situation mit der von 1946 vergleichbar: Die ökologische Transformation stellt uns vor die Herausforderung, unsere Produktions- und Energiesysteme grundlegend neu aufzustellen; sie könnte die Einführung einer ökologischen Planung erfordern.

Konzertierte Planung von 1946 bis 1992

Der erste »Modernisierungs- und Ausstattungsplan« von 1946 geht auf Jean Monnet (2018) zurück. Bis in die 1990er-Jahre hinein hielt man in Frankreich an der umfassenden Wirtschaftsplanung fest. Es gab zehn Pläne, die meisten davon Fünfjahrespläne. Laut dem Planungstheoretiker Pierre Massé, als Generalkommissar für den IV. Plan (1959–1965) verantwortlich, hatte das französische Planungssystem (Planification) drei Funktionen. Es sollte erstens mittel- und langfristige Ziele definieren, und anhand öffentlicher Investitionen ausgeglichene Wirtschaftsstrukturen hervorbringen. Zweitens sollte es über die Zielsetzung und Festlegung der dafür nötigen Mittel eine Kohärenz der politischen Maßnahmen herstellen. Drittens sollte es für eine konzertierte Aktion werben und die Unterstützung aller wichtigen gesellschaftlichen Akteure gewinnen.

Die Ausrichtung der Planification kann unterschiedlich beschrieben werden. Pierre Massé sah in ihr einen »Unsicherheitsreduzierer«. Er kritisierte die Theorie eines allgemeinen Marktgleichgewichts und betonte, dass insbesondere bei langfristigen Investitionen wie dem Bau eines Staudamms viele unvorhersehbare Eventualitäten aufträten, die nur planerisch aufzufangen seien. Institutionalistische Theoretiker wie Barry Eichengreen (2006) begreifen Planung als Teil des staatszentrierten »koordinierten Kapitalismus«, der im Westeuropa der Nachkriegszeit das vorherrschende Gegenmodell zum »Kapitalismus des freien Markts« bildete. Darin verständigen sich Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände und Politikvertreter*innen in einem systematischen, zentralisierten Verhandlungsprozess, der Stabilität garantieren und angemessene Reallohnsteigerungen ermöglichen soll.

Der französische Planungsprozess basierte auf Verhandlungen in etwa 20 sogenannten Modernisierungskommissionen der wichtigsten Wirtschaftssektoren (Industrie, Landwirtschaft, Energie, Verkehr, Wohnungsbau etc.). In diesen Kommissionen kamen alle relevanten Akteure zusammen: öffentliche Verwaltung, Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften, Verbraucherverbände und Wissenschaftler*innen. Im Gegensatz zur dirigistischen Planung in den Staaten des Sowjetblocks, handelte es sich um eine konzertierte Planung. In intensiven Diskussionen kamen die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Partner überein, dass der Staat die Schirmherrschaft übernehmen und für die Durchsetzung gemeinsam entwickelter Programme und Zielsetzungen sorgen sollte.

Inhalte und Methoden der Planification entwickelten sich im Laufe der Zeit weiter. Plan V (1966–1970) betrat Neuland in Form einer »werteorientierten Planung«, die sich insbesondere auf die Preis- und Einkommensentwicklung bezog, denn die Verringerung von Einkommens- und Vermögensungleichheiten standen ganz oben auf der Agenda der französischen Regierung.

Historiker*innen und Ökonom*innen sind sich einig, dass die Planung während des Goldenen Zeitalters, den »Trente Glorieuses« (1945–1975), besonders wichtig für den Abbau sozialer Ungleichheiten im Nachkriegsfrankreich war und rechnen ihr das hohe Produktions-, Einkommens- und Beschäftigungswachstum zu (vgl. etwa Carré u. a. 1972). Selbst Vertreter*innen der institutionellen Schule der Ökonomie betonten die positive Funktion von Institutionen und öffentlicher Politik in bestimmten kapitalistischen Systemen Europas, die sie als »koordinierte Kapitalismen« bezeichnen. Frankreich war neben Schweden eines der wenigen kapitalistischen Länder Europas, das in der Nachkriegszeit ein umfassendes Planungssystem einführte (vgl. Eichengreen 2006).

Planification war nicht das einzige mittel- und langfristige Steuerungsinstrument der staatlichen Politik. Die Verstaatlichung der Banque de France und der vier großen Depotbanken im Jahr 1945 sowie die Gründung des Nationalen Kreditrats, der unter dem Vorsitz des Finanzministers stand und für die Überwachung der Fiskal- und Geldpolitik zuständig war, zeigen, dass sich das Kredit- und Finanz­wesen den wirtschaftlichen und sozialen Zielen der Regierung unterzuordnen hatte. Die verstaatlichten Industrieunternehmen fungierten als nationale »Champions« und als Instrumente der öffentlichen Politik.

Das französische Planungssystem hatte jedoch seine Grenzen und Mängel. Die größten hingen mit der im Nachkriegsfrankreich vorherrschenden »produktivistischen« Ideologie zusammen, die die ökologischen Kosten des Wachstums ignorierte. Planification war vom Streben nach schnellem Wachstum geprägt. Der Ausbau des Energie-, Verkehrs- und Wohnungssektors gehörte zu den vorrangigen Zielen, ökologische Aspekte fanden in den ersten Plänen nur wenig Berücksichtigung. Die zentralistische Philosophie des Staates schwächte zudem die Regionen und untergeordneten Gebietseinheiten. Heute ist allgemein anerkannt, dass die dezentrale Ebene für das Gelingen der ökologischen Transformation wesentlich ist – sie wurde jedoch erst 1962, mit Verabschiedung des IV. Plans (1962–1965), in die Planungsprozesse einbezogen. Die Koordinierung der regionalen Aufgaben übernahm die 1963 gegründete Délégation interministérielle à l'aménagement du territoire, die nicht Teil der Generalplanungskommission war.

Niedergang der Planung

Theorie und Praxis der Planung gerieten im Zuge der Umsetzung neoliberaler Politik ab den 1980er-Jahren zunehmend in Misskredit bei Wirtschaftswissenschaftler*innen und Politiker*innen. Paradoxerweise waren es linke Regierungen, die als erste die neoliberalen Grundsätze übernahmen. Die wesentlichen Gründe dafür sind in der damaligen Wirtschaftskrise zu suchen, ausgelöst durch geringes Wachstum und hohe Inflation, sowie in der Verschiebung der politischen Kräfteverhältnisse in Frankreich und weltweit.

Nach der Wahl von François Mitterrand zum französischen Staatspräsidenten 1981 versuchte die Regierung der »Union de la gauche« unter Pierre Mauroy das Prinzip der Planung wiederzubeleben und veränderte zugleich deren Methoden. Der Fünfjahresplan mit festem Zeithorizont wurde beibehalten und durch einen stärker dezentralen Ansatz ergänzt, der auf mehr Verantwortung für die Regionen setzte. Die Beziehungen zwischen großen öffentlichen Unternehmen und Staat wurden durch mehrjährige Verträge geregelt.

Im Jahr 1983 erfolgte jedoch ein abrupter politischer Richtungswechsel: Die Mauroy-Führung reagierte mit Austeritätsmaßnahmen auf die Schwierigkeiten der französischen Wirtschaft. Die nächsten beiden wirtschaftlichen Rahmenpläne stellten einen klaren Rückschritt dar. Plan IX (1984–1988) zielte darauf ab, die Inflation über die Kontrolle der Lohnkosten zu bekämpfen und das Nettolohnwachstum unter dem Produktivitätswachstum zu halten. Man entschied sich für die Option eines offenen EU-Binnenmarkts; der Franc sollte Teil des europäischen Währungssystems bleiben. Eindeutige Prioritäten waren die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und die Verbesserung der finanziellen Situation der französischen Unternehmen.

Das Ende des X. Plans (1989–1992) fiel mit dem Inkrafttreten des EU-Binnenmarkts (1992) zusammen. In diesem Plan drückte sich die neoliberale Ausrichtung der ­Europäischen Union aus, obwohl es in der damaligen französischen Regierungskoalition unterschiedliche Positionen gab. Dennoch sind die drei ursprünglichen Funktionen der Planification hier noch erkennbar: Es wurden mittel- und langfristige Ziele definiert – hierfür steht der Bericht »Aufbruch ins 21. Jahrhundert« der Horizon-2000-Foresight-Gruppe. Es fanden Konsultationen in zehn ­Kommissionen statt; diese wurden sogar auf europäische Gremien ausgedehnt. Und schließlich blieb die Kohärenz staatlicher Politik ein zentrales Anliegen des Plans, der nun als »strategisch« bezeichnet wurde und anderen politischen Zielen folgte. Man einigte sich auf die Festlegung einer Reihe von Maßnahmen zur Vorbereitung der französischen Wirtschaft auf den europäischen Binnenmarkt.

Der Entwurf des XI. Plans, der ursprünglich den Zeitraum 1993 bis 1997 umfassen sollte, wurde von der neuen Rechtsregierung im März 1993 abgelehnt. Sie zog es vor, ihre wirtschaftspolitischen Präferenzen in einer Reihe von Gesetzen zu verankern. Staatliche Wirtschaftsplanung schien in Frankreich keinen Platz mehr zu haben. Im Jahr 2006 wurde die Generalplanungskommission aufgelöst.

Rückkehr des planenden Staats?

Heterodoxe Ökonom*innen wie »Les Économistes Atterrés« [1] zeigen auf, dass der vorherrschende Ansatz, die Klimakrise mithilfe von Marktmechanismen wie (CO2-)Preisen, zu bewältigen, nicht funktioniert. Eine reine Preissteuerung ist gesellschaftlich nicht akzeptabel, weil sie wichtige Güter für breite Bevölkerungsgruppen unerschwinglich machen könnte. Der Staat muss ergänzende Regulierungsinstrumente einsetzen und langfristige Investitionen teilweise übernehmen. 

Vor diesem Hintergrund haben politische Parteien, Intellektuelle der radikalen Linken und Ökolog*innen eine ökologische Planung eingefordert. Diese sei unerlässlich, um die französische Gesellschaft mit den nötigen demokratischen Institutionen auszustatten, die der gewaltigen Herausforderung der Energiewende und des Klimawandels gewachsen sind. Jean-Luc Mélenchon, Vorsitzender der linksgerichteten Partei La France Insoumise (LFI), stellte als erster Politiker die Idee einer ökologischen Planung vor. Sie soll durch koordinierte öffentliche Maßnahmen eine echte ökologische Wende einleiten. In Abgrenzung zur Praxis der Nachkriegsjahrzehnte schlägt er eine dezentralisierte Planung vor. Dabei soll den lokalen Behörden aus Gründen der Demokratie und Effizienz eine strategische Rolle zukommen (Mélenchon 2021). 

Macrons Konzept der ökologischen Planung und seine Grenzen

Angesichts der Verschärfung der Klimakrise und unter dem Druck progressiver und ökologischer politischer Kräfte sah sich Emmanuel Macron zu Beginn seiner zweiten Amtszeit im Jahr 2022 dazu gezwungen, Umwelt- und Klimaschutz zu vorrangigen Zielen zu erklären. Auf institutioneller Ebene führte dies zur Einrichtung eines Generalsekretariats für ökologische Planung. Es ist dem Premierminister unterstellt und soll eng mit dem Ministerium für den ökologischen Übergang, dem Ministerium für territorialen Zusammenhalt und dem Ministerium für die Energiewende zusammenarbeiten. Indem die Verantwortung für ökologische Planung auf höchster Regierungsebene angesiedelt wird, soll garantiert werden, dass Frankreich seinen Rückstand bei der zugesagten Reduktion von Treibhausgasemissionen aufholt.

Nach dem Willen des Premierministers soll die ökologische Planung unter seiner Führung zu einer politischen Steuerung in den strategisch wichtigen Sektoren (Verkehr, Energie, Wohnungsbau, Landwirtschaft etc.) beitragen. Sie soll die Aktivitäten aller Ministerien und öffentlichen Einrichtungen, die am Großprojekt »ökologische Transformation« beteiligt sind, koordinieren. Diese öffentlichen Einrichtungen, von denen einige durchaus denen der Nachkriegszeit ähneln, könnten dabei tatsächlich eine wichtige Rolle spielen: etwa France Stratégie, Nachfolgerin der Generalplanungskommission, sowie die strategischen Sektorausschüsse, die die oben genannten Modernisierungskommissionen ersetzt haben.

Es gibt jedoch mehrere Gründe, an der Wirksamkeit und Ernsthaftigkeit des neuen Planungssystems zu zweifeln. So sind wichtige Faktoren, die zum Erfolg der Nach-kriegsplanung geführt haben, heute nicht mehr gegeben. So fehlt es etwa an der Fülle und Stabilität öffentlicher Mittel, die der Nationalstaat einst für Großprojekte bereitgestellt hat. Der erste Plan verdankte seinen Erfolg dem Marshallplan der Amerikaner; der vierte Plan, dessen Umsetzung am erfolgreichsten war, konnte sich ebenfalls auf prall gefüllte ­Staatskassen stützen. Heute herrscht in Frankreich noch immer eine neoliberale Austeritätspolitik. Die von den Märkten angebotene »grüne Finanzierung« ist kurzsichtig und generiert nicht die langfristigen ­Investitionen, die für den ökologischen Übergang erforderlich sind. Zweitens sind zentrale Akteure verloren gegangen, deren Zusammenspiel in den Nachkriegsjahrzehnten eine Voraussetzung für den Erfolg der Planung war. Nationale Industrieunternehmen und Großbanken unter staatlicher Aufsicht sind multinationalen Unternehmen mit internationalen Beteiligungen gewichen, die sich immer weniger mit einer konkreten Volkswirtschaft oder Region identifizieren. Die Gewerkschaften haben viel von ihrem Einfluss eingebüßt. Die französische Gesellschaft selbst ist, was die Klimapolitik betrifft, deutlich gespalten, das haben zuletzt die Revolten der Gelbwesten-Bewegung und der Landwirte gegen die steigenden Treibstoffpreise gezeigt. Zudem lässt die von Macron eingeführte neue Form der technokratischen Planung die demokratische Dimension vermissen. Genau sie wäre für die Mobilisierung aller relevanten gesellschaftlichen Akteure für eine ökologische Zeitenwende jedoch unerlässlich. Auf lange Sicht ist eine ökologische Planung schlichtweg unvereinbar mit der neoliberalen Logik, die von Macron und den hinter ihm stehenden wirtschaftlichen und politischen Kräften vertreten und durchgesetzt wird.


Aus dem Englischen von Britta Grell