Ulrike Herrmanns Bestseller »Das Ende des Kapitalismus: Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind – und wie wir in Zukunft leben werden« hat dem lange vergessenen bzw. verfemten Konzept der Planwirtschaft neue öffentliche Aufmerksamkeit beschert. Das Buch verspricht neue Einsichten und Impulse zum Weiterdenken und Weiterkämpfen gegen kapitalistische Krisen und den drohenden ökologischen Kollaps. Aus der Lektüre lässt sich vieles lernen, doch sie fordert uns als Ökosozialist*innen auch zu Kritik heraus.

So stellt Herrmann klar, dass sie »keine Kapitalismuskritikerin« sei, sondern fasziniert von Wachstum und Wohlstand im kapitalistischen System (Herrmann 2023). Kapitalismus versteht sie als den Einsatz von Technik, um Waren herzustellen, die man mit Gewinn verkaufen kann (Herrmann 2022, 11, 21–24). Die Maschinen würden aber bisher vor allem mit fossiler Energie laufen und daher das Klima zerstören. Diese fossile Energie könne – anders als es Anhänger*innen des »Grünen Kapitalismus« versprechen und auch viele Linke erhoffen – nicht voll durch »grüne Energie« ersetzt werden. Gleichwohl sieht sie im Kapitalismus die Ursache der Klimakrise (ebd., 11, 84–86, 99). Das Problem sind für sie dabei nicht die Kapitalverhältnisse, die das Streben nach Profit, die Ausweitung von Konkurrenz, die Steigerung von Ressourcenverbrauch, Stoff- und Energieumsätzen sowie die damit verbundene Gewalt gegen Mensch und Natur bewirken. Herrmann betrachtet vor allem deren Folge, das »Wachstum«, als problematisch. Aus Gründen der globalen Gerechtigkeit hält sie eine wirtschaftliche Schrumpfung in den globalen Industriezentren für unvermeidlich – und findet lehrreiche Ansätze dafür in der britischen »Kriegswirtschaft« während des Zweiten Weltkriegs.

Lernen von der Kriegswirtschaft?

Doch inwieweit taugt die Kriegswirtschaft als Vorbild zum Umbau der Produktion? Dafür muss man sich eingehender mit dieser historischen Phase beschäftigen und insbesondere ihre Widersprüche betrachten.

In der britischen Kriegswirtschaft bestimmte der Staat, was produziert wurde. Die Eigentumsverhältnisse an den Unternehmen blieben jedoch unverändert. Herrmann verweist darauf, dass die britischen Behörden zu Beginn des Krieges ermittelten, dass 66 Prozent der Industriekapazitäten für die militärische Rüstung benötigt wurden. Die Herausforderung bestand also darin, schnellstmöglich die Rüstungsproduktion hochzufahren und die zivile Konsumgüterproduktion zu diesem Zweck zu schrumpfen und umzustellen. Das Ziel war, die Verteidigungsfähigkeit und die Versorgung der Soldaten und der Zivilbevölkerung sicherzustellen. Die britische Regierung teilte den Unternehmen Rohstoffe, Kredite und Arbeitskräfte zu – »Manpower Budget« war das zentrale Steuerungsinstrument.

Dies wurde relevant dadurch erleichtert, dass dem Kriegsbeginn bereits anderthalb Jahrzehnte der Arbeit an Notfallplänen und der Produktionsentwicklung vorausgegangen waren. Man konnte sich auf Ressourcen aus dem Commonwealth und Planungsstrukturen aus dem Ersten Weltkrieg stützen. Zudem hatte die US-Regierung zur Vervollkommnung der Planung gedrängt. Die USA und Kanada lieferten Kriegsmaterial zum Nulltarif (im Rahmen des Land Lease Programme, unter der Bedingung, dass Großbritannien seine Kolonien aufgab) und verhinderten den Bankrott des Landes, der sonst schon 1941 eingetreten wäre. Viele britische Rüstungsfabriken und Waffenmodelle existierten bereits. Während des Krieges wurden dann die Produktionslinien auf neue Fabriken ausgedehnt und die militärischen Produkte schrittweise verbessert. Während des Krieges gingen bis zu 75 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) auf Staatsausgaben zurück (Overy 2000 u. 2015).

Regierungseigene Firmen und die privat geleiteten, aber vom Staat errichteten und kontrollierten »Kommissionsfabriken« bzw. shadow factories (Forbes 2014) waren Unternehmen mit Staatsgarantien und bildeten das Rückgrat der britischen Kriegsrüstungswirtschaft. Mengenangaben, Planpreise und Kontrollen ersetzten weitgehend die viel zu langsame bzw. unmögliche Ressourcenallokation über Marktpreise (Milward 1979). Die Differenz zwischen Festpreisen, also Angebotspreisen, die für einen bestimmten Zeitraum gelten, und Gleichgewichtspreisen, zu denen alle Nachfrager die gehandelten Waren kaufen und die Anbieter ihr gesamtes Warenangebot absetzen können, sowie die Einhaltung von Verhaltensregeln wurden staatlich kontrolliert. Das sollte sowohl Wucherpreisen und Spekulation wie auch anderen gesellschaftlichen und ökonomischen Fehlanreizen entgegenwirken. Profite wurden mit temporären Übergewinnsteuern von bis zu über 60 Prozent belegt (Daunton 2002). Der Kreditzinssatz der Banken wurde auf etwa drei Prozent begrenzt, der Wechselkurs fixiert und eine restriktive Devisenbewirtschaftung eingeführt (Broadberry/Howlett 1998). Die vorübergehende Einhegung der mächtigen Kapitaleigentümer war jedoch nur möglich, weil ihnen eine Garantie ihrer Profite, ihrer Vermögen und ihres Eigentums im Falle des Sieges gegeben wurde. Die staatlichen Planungsbehörden kooperierten also mit den Unternehmern, sicherten ihr materielles Interesse am militärischen Erfolg und die Reproduktion von Kapitalverhältnissen.

Sie beschäftigten auch und insbesondere Geschäftsleute und Expert*innen aus den Bereichen Wissenschaft, Wirtschaft und Ingenieurswesen. Zur Planung und Leitung der Kriegswirtschaft beriefen Regierung und Behörden führende Kapitaleigentümer, ihre Manager und Partner in hohe Staatspositionen. So leitete der Industrielle Lord Nuffield die Flugzeuginstandsetzung und wird zitiert: »Industrielle, die entweder in ihren eigenen Betrieben arbeiteten oder zeitweise Ministerien zugeteilt waren, und nicht die Berufspolitiker [haben] die notwendige Wiederaufrüstung dieses Landes fertigungstechnisch geplant und durchgeführt.« (Overy 1977, 310ff)

Unterdessen wurden Nahrungs- und Konsumgüter stark rationiert. Herrmann (2022, 14) resümiert: »Die Briten erfanden […] eine private und demokratische Planwirtschaft.« Der Begriff »demokratisch« wirft hier Fragen auf, denn die Beschäftigten und Verbraucher*innen waren nicht an den Entscheidungsprozessen beteiligt. Herrmann schreibt, dass der Bevölkerung pro Kopf täglich etwa 2 800 Kalorien zur Verfügung standen. Fleisch, Käse, Fett, Zucker, Tee und Seife wurden rationiert. Für Konserven, Süßigkeiten und Trockenobst legten die Behörden eine maximale Anzahl von Punkten fest, die den individuellen Bedarf bestimmen sollten. Dieses System galt auch für langlebige Massenkonsumgüter. So ging der Verbrauch schnell um ein Drittel zurück, während laut Herrmann der gesellschaftliche Zusammenhalt wuchs und die öffentliche Gesundheit abgesichert wurde (ebd., 239–241).

Im Widerspruch hierzu haben verschiedene Historiker*innen dokumentiert, dass die Rationen weniger als die Hälfte dieser Mengenangaben umfassten und für die ohnehin Wohlhabenden nicht voll zur Geltung kamen (May 1987; Zweiniger-Bargielowska 2017; Chandler 2002). Ganz harmonisch funktionierte die britische Kriegswirtschaft nicht. Breite Unzufriedenheit aufgrund der sozialen Privilegien für Wohlhabende, Streiks für bessere Arbeitsnormen und Arbeitszeiten, Sanktionen und Repressionen gegen Streikende, soziale Diskriminierung und Feindseligkeit gegen Jüdinnen und Juden sowie Kritiker*innen der Regierung gehörten zum Alltag (Overy 2015, 251; Bogg u. a. 2020; Goldman 1984). Die Masse der Beschäftigten und Soldat*innen musste funktionieren und sich maximal aufopfern. Die Abwahl des konservativen Ministerpräsidenten Churchill nach dem Krieg und auch die unpopulären späteren Versuche der Labor Partei, an die Kriegswirtschaft anzuknüpfen, verdeutlichen, dass sie für viele kein positiver Bezugspunkt war.

Verordnetes Schrumpfen?

Wir stimmen mit Herrmann in einem wichtigen Punkt überein: Sowohl die gesellschaftlichen Stoff- und Energieumsätze als auch die CO2-Emissionen müssen in den globalen Industrieregionen drastisch – um den Faktor zehn – reduziert werden. Es können nicht ausreichend echte erneuerbare Energien produziert werden, um einen stetig wachsenden Bedarf an fossiler Energie vollständig zu ersetzen. Ebenso ist Herrmann zuzustimmen, wenn sie »die reichen Länder« als die entscheidenden Verursacher der Klimakrise ausmacht. Aus globaler Verantwortung müsse Deutschland 2035 klimaneutral sein, was nach Herrmann heißt, dass nicht mehr als eine Tonne CO2 pro Bewohner*in und Jahr ausgestoßen werden darf. Das bedeutet eine Reduktion um das Achtfache. Dafür wäre laut Herrmann eine drastisch schnellere Umstellung auf heimisch zu produzierenden Ökostrom vonnöten. Zudem müsse der durchschnittliche Pro-Kopf-Konsum an Ressourcen sozial gerecht gesenkt werden. 

So ließe sich ein wirtschaftliches Schrumpfen des BIP auf das Niveau von 1978 realisieren (Herrmann 2022, 241, 249ff).

Diese Zielvorgabe ist in zweierlei Hinsicht fragwürdig. Weder kann Herrmann überzeugend darlegen, wie eine solche Emissionsreduzierung bis 2035 realisiert werden soll, noch findet sich im Buch eine plausible Untermauerung des Ziels, das Niveau von 1978 zu erreichen. Sie behauptet lediglich, dass dies ein Schrumpfen der gegenwärtigen Wirtschaftsleistung auf die Hälfte bedeuten würde und der Lebensstandard und das Wohlstandsniveau von 1978 so hoch gewesen seien, dass »wir alle« gut leben konnten. Zum einen deckt sich das nicht mit den Wünschen und (klassenspezifisch unterschiedlichen) Erfahrungen vieler Menschen und gerade die Jüngeren haben zu diesem Ziel keinen Bezug. Zum anderen wurde auch in der BRD 1978 pro Kopf das 13-Fache der anvisierten einen Tonne CO2 emittiert.

Das »Niveau 1978« ließe sich laut Herrmann nur über eine staatliche Rationierung des Ressourcenverbrauchs erreichen. Sie betont, dass die Rationierung in Großbritannien während des Krieges »so willig hingenommen wurde, weil sie für alle galt«. Der Klimaschutz habe »nur eine Chance, wenn alle gleich belastet werden« (ebd., 249). Das fasst sie arithmetisch: zulässiger Ressourcenverbrauch dividiert durch Bevölkerungszahl. Welche Belastung konkret notwendig sei, hänge von der Effizienz der Ökotechnik ab. Je mehr grüne Energie sie liefere, desto mehr der heutigen Wirtschaftsleistung könne erhalten werden: Urlaub, Smartphone, Restaurantbesuch. Flüge müssten hingegen weitgehend abgeschafft werden, Autos wären kaum noch unterwegs, Immobilien würden rationiert werden ebenso wie der Fleischkonsum (ebd., 250).

Wie ein solch umfassender und radikaler Umbau politisch durchgesetzt werden soll, bleibt in Herrmanns Buch eher nebulös. So finden sich keine Hinweise auf zu organisierende demokratische Suchprozesse. Herrmann geht davon aus, dass der Klimakollaps nur verhindert werden kann, wenn die Energie- und Wärmewende massiv beschleunigt werden und dazu auch ordnungspolitische Instrumente und insbesondere Mengenregulierung und Rationierung eingesetzt werden. Sie hofft auf die allgemeine Einsicht in die Notwendigkeit und fixiert sich auf den Staat und die verordnete Schrumpfung von oben.

Das Ziel sei, eine Kreislaufwirtschaft durchzusetzen, in der nur noch das verbraucht wird, was sich recyceln lässt. Herrmann erklärt, das komme gewissermaßen einer »Abschaffung des Kapitalismus« gleich, grenzt sich aber zugleich von Sozialist*innen ab: »Ein Ökosozialismus ist […] nicht gemeint«, denn darunter versteht sie, dass die zentrale Planung »fast das gesamte Eigentum abschafft« (ebd., 255). Herrmann unterscheidet die von ihr favorisierte Form der Planung fundamental vom »Sozialismus, der zeitgleich unter Stalin in der Sowjetunion praktiziert wurde. In dieser ›zentralen Planwirtschaft sowjetischen Typs‹ waren alle Betriebe staatlich«, so Herrmann (ebd., 237). Diese Bezeichnung ist unseres Erachtens irreführend. Aus heutiger Sicht ist das zentralistische antikapitalistische System in der UdSSR nicht mit »Sozialismus« gleichzusetzen. Die ökosozialistische Debatte entstand in bewusster Abgrenzung vom sowjetischen Modell. Im Übrigen stimmt es nicht, dass dort »alle Betriebe staatlich« waren. So betrug beispielsweise der Anteil der Privatproduktion an konkreter sowjetischer Agrarproduktion bis zu 70 Prozent (Ioffe u. a. 2006, 21). 

Der Hang zum Technokratischen

Herrmanns Diagnose, dass die wachstumsfixierte Wirtschaftsweise nicht fortgeführt werden kann und es daher qualifizierter Planung und entschiedener ordnungspolitischer Maßnahmen, einschließlich Rationierung, bedarf, um in den globalen Industrieregionen sozial wie global gerecht ökonomisch zu schrumpfen, ist richtig und wichtig.

Doch ihr Verständnis von Gesellschaft, Staat und Kapitalismus weist blinde Flecken auf. Sie erscheinen eher als dingliche Entitäten denn als machtdurchzogene gesellschaftliche Verhältnisse. Daher werden ökologische Problemlösungen tendenziell entkoppelt von zu erkämpfenden gesellschaftlichen Veränderungen, insbesondere der Eigentumsverhältnisse. So wie Herrmanns Kapitalismus-Definition letztendlich von der gesellschaftlichen Form abstrahiert, in der Maschinen und fossile Energie eingesetzt und Wachstum produziert werden, sieht sie den Staat als neutrale Instanz. Doch mit Nikos Poulantzas wäre der Staat als umkämpfte Institution bzw. umkämpftes »strategisches Feld« zu begreifen, über das die Herrschenden die gesellschaftlichen Verhältnisse möglichst konfliktarm zu erhalten und verwalten suchen.

So soll der Staat auch gebrauchswert­orientierte Reproduktionszusammenhänge organisieren und aufrechterhalten wie etwa digitalisierte Kommunikation. In diesem Sinne versteht Herrmann Planung vor allem als Angelegenheit eines technokratisch agierenden Staates. Im Kontrast dazu fassen wir Planung als Interessenkampf um den zielgerichteten Einsatz von Ressourcen, um Demokratisierung des Ressourceneinsatzes und um die Veränderung der gesellschaft­lichen (Eigentums-)Verhältnisse. Die Herausforderung besteht darin, gleichzeitig drei Wege zu gehen, die miteinander verbun­-

den werden müssen: erstens das Ringen um gesellschaftliche Standards, wozu Obergrenzen für klimaschädliche Emissionen und Plankenziele für die Produktion erneuerbarer Energie gehören; zweitens die Verteidigung, Demokratisierung und Mehrung des öffentlichen Eigentums, wobei es auch und insbesondere um die (Re-)Kommunalisierung der Energieversorgung geht, sowie drittens eine aktive Lokal- und Regionalentwicklung, die direkt auf die Erzeugung erneuerbarer Energie und die Planung der kommunalen Energie- und Wärmewende Einfluss nehmen kann.