Bei demokratischer Wirtschaftsplanung denken die meisten Menschen zunächst an die Produktionssphäre. Dabei standen in der Debatte um Vergesellschaftung und Planung in den letzten Jahren vor allem Fragen sozialer Reproduktion im Zentrum: von der Kampagne Deutsche Wohnen & Co enteignen und ihrem Kampf um die Vergesellschaftung von Wohnraum bis hin zu den Kämpfen um Energieversorgung und Mobilitätsplanung. Ziemlich unterbelichtet hingegen ist die Planungsfrage, wenn wir auf die »Produktion des Lebens« (Frigga Haug) blicken, also auf die Versorgung alter Menschen, das Großziehen von Kindern, die Unterstützung behinderter Menschen, soziale Arbeit oder Bildung. Wie Heide Lutosch (2022) argumentiert, ist dies nicht nur eine Leerstelle unter vielen, sondern ein konzeptionelles Problem der Planungsdebatte (vgl. ihren Beitrag in diesem Heft). Denn die Neuorganisation von Sorgeverhältnissen ist elementar dafür, wie Gesellschaft gestaltet werden kann und sollte.

Was also kann Planung für den Bereich der Sorgearbeit heißen? Und was lernen wir für die Planungsfrage insgesamt, wenn wir sie aus der Perspektive der »Produktion des Lebens« heraus betrachten? Anhand von drei Care-Politiken wollen wir skizzieren, was das konkret bedeuten kann.

Das Private ist (un-)planbar!?

Viele Menschen sind der Ansicht, das Private sollte gesellschaftlichem Einfluss weitgehend entzogen sein. In Sorgeverhältnisse planerisch einzugreifen, weckt ungute Vorstellungen von DDR-Krippen oder Betriebsferienlagern. Dabei sind Sorgebeziehungen auch heute gesellschaftlich und staatlich geformt. Dass zwei Drittel der Care-Arbeit im häuslichen Rahmen stattfinden, ist das Ergebnis von Regularien, über die wir nicht mitentschieden haben, etwa unzureichende Kinderbetreuung oder die marktförmige Organisation von Altenpflege. Nur wenn diese Fragen Gegenstand demokratischer Aushandlung werden, lässt sich das ändern.

Wird also versäumt, bei der demokratischen Planung von Anfang an auch die Perspektive der Sorgearbeit einzunehmen, droht eine Verkennung des »Trennungszusammenhangs« zwischen privat und öffentlich, zwischen Produktion und Reproduktion, der fundamental ist für die herrschaftliche Organisation von Arbeit, für patriarchale Ausbeutung und ein heteronormatives Geschlechterregime im Kapitalismus. Aus feministischer Perspektive muss eine Neuorganisation der Ökonomie genau diese Aufteilung in »produktive«, materiell anerkannte Lohnarbeit und der ins Private gedrängten, schlecht oder gar nicht entlohnten Fürsorgearbeit überwinden.

Dabei besteht ein enger Zusammenhang zwischen Vergesellschaftung und demokratischer Planung: Ohne eine Veränderung der Eigentumsverhältnisse ist die demokratische Verfügung über die jeweiligen Ressourcen nicht möglich. Ohne demokratische Planung wiederum schnurrt Vergesellschaftung schnell auf staatliche Verwaltung zusammen, die an den Bedürfnissen der Menschen vorbeigeht. Sowohl Vergesellschaftung als auch demokratische Planung von Sorgeverhältnissen setzten deren doppelte Entprivatisierung voraus (Fried/Wischnewski 2023). Das heißt: raus aus der Profitlogik und raus aus der privaten Verantwortung und Isolation in den Haushalten.

Eine kollektive Planung von Sorgeverhältnissen dürfte aber gerade nicht darin bestehen, sie nach einer »industriellen« Logik zu standardisieren. Stattdessen geht es darum, mehr Wahlfreiheit und jeweils passende Möglichkeiten zu schaffen, um unsere Sorgebedürfnisse auf der Grundlage kollektiver Entscheidungen befriedigen zu können. Demokratische Planung im Bereich der Sorgearbeit heißt also, passgenaue Angebote und eine gerechte Verteilung von Care für alle zu gewährleisten. Um den sehr unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht werden zu können, müsste dafür zunächst der tatsächliche Bedarf ermittelt werden. Sorgebedürfnisse differieren stark zwischen Personengruppen, aber auch im Verlauf des Lebens. Um eine demokratische Bedarfsplanung in der Gesundheitsversorgung, der ambulanten Pflege, den Infrastrukturen für Betreuung und Bildung aufzubauen, muss eine Vielzahl von Stimmen Gehör finden. Marginalisierte und vulnerable Gruppen müssen einen festen Platz in Beratungs- und Entscheidungsstrukturen haben. Reine »Interessenvertretung« greift jedoch zu kurz, denn es geht auch um übergeordnete langfristige Fragen, etwa die Frage, wie alternative Sorgearrangements praktisch aussehen können.

Planung heißt Selbstveränderung

Die demokratische Planung von Sorgeverhältnissen geht aber noch weiter: Sorgebedürfnisse selbst verändern sich im Prozess, etwa wenn Care-Tätigkeiten ein größeres Ansehen genießen und nicht mehr in die Familien, meist an Frauen ausgelagert werden. Im Kern geht es um neue Beziehungsweisen, in denen das Umsorgtwerden nicht Kennzeichen von Schwäche ist, sondern eine besondere Qualität von Gesellschaftlichkeit zur Geltung bringt. Planung kann in diesem Sinne als Prozess der (Selbst-)Veränderung entworfen werden, als Moment einer transformativen Praxis. Insofern ermöglichen veränderte Sorgeverhältnisse demokratische Planung selbst. Sie bilden den Kern eines neuen Miteinanders und schaffen die Bedingungen für kollektive Aushandlungsprozesse jenseits von Einzelkämpfertum, Dominanz und Konkurrenz: Ein (besseres) Verständnis für das Gegenüber und seine Bedürfnisse sowie für unser aller fundamentales Angewiesensein auf Sorge und funktionierende Sorgebeziehungen sind dafür elementar. Sie schaffen die Grundlage dafür, dass sich mehr Menschen tatsächlich an demokratischer Planung beteiligen können und nicht aufgrund ihrer Sorgeverpflichtungen davon ausgeschlossen werden. Demokratische Partizipation kann sich daher nicht auf die Beteiligung an Gremien beschränken, sondern zielt auch auf die konkrete Gestaltung veränderter Sorgepraxen in einem weiten Sinne. Kinderläden waren in den 1970er-Jahren ein Schritt in diese Richtung, auch Mehrgenerationenhäuser, Caring-Communities oder selbstorganisierte Demenz-WGs sind Orte einer anderen Form des Sorgens, jenseits von Familie als auch von sozialer Dienstleistung. Bisher sind solche Arrangements meist Teil von Subkulturen und damit Wenigen vorbehalten. Derartige Strukturen gilt es öffentlich zu fördern, auszubauen und für Viele zu öffnen. Es braucht Räume der Fantasie und Kreativität – denn es gibt dazu noch viel zu wenige praktische Erfahrungen.

Diese Form von »Gesellschaftsproduktion« muss auf der lokalen Ebene beginnen. Sorgebeziehungen sind größtenteils im sozialen Nahraum verortet. Ein soziales Netz für die Aushandlung von Bedürfnissen und die schrittweise Bearbeitung von Interessenkonflikten lässt sich leichter im Wohnviertel knüpfen. Rätestrukturen ermöglichen Mitbestimmung von unten nach oben. Aus den Projekten der munizipalistischen Regierungen im spanischen Staat, insbesondere in Barcelona und Madrid, lässt sich lernen, wie man die Vergesellschaftung und demokratische Planung von Sorge auf der kommunalen Ebene vorantreiben kann. Das damit verbundene Transformationsprojekt wird häufig unter dem Begriff der »Sorgenden Stadt« verhandelt – einer Stadt, die konsequent entlang der Sorgebedürfnisse ihrer Bewohner*innen gedacht und geplant wird. Das schließt auch Verkehr und Mobilität ein, reicht von Grünflächen über die Gestaltung des öffentlichen Raums bis hin zum allgemeinen Zugang zur sozialen Versorgung (vgl. Fried/Wischnewski 2023).

Hier und heute beginnen

Was bedeuten diese Überlegungen nun konkret? Wie kann es gelingen, ins Private verschobene und an Frauen delegierte Sorgetätigkeiten stärker in gesellschaftliche Verantwortung zu nehmen? Anhand von drei Beispielen wollen wir zeigen, was heute schon möglich wäre.

1 // (Re)kommunalisierung von Altenpflege – Profitdeckel jetzt!

Wohnformen und Pflegemöglichkeiten für alte Menschen gilt es auszubauen und für alle kostengünstig oder kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Nur so ist es möglich, Familien und Haushalte von der Pflegeverantwortung zu entlasten. Die Altenpflege ist in Deutschland seit dem Pflegeversicherungsgesetz von 1993 überwiegend in der Hand privatwirtschaftlicher Unternehmen, die um die größten Gewinnmargen konkurrieren. Der Eigenanteil für einen Platz in einem Pflegeheim beträgt entsprechend um die 2 400 Euro pro Monat. Das kann sich eine Altenpflegerin, die 40 Jahre in so einer Einrichtung gearbeitet hat, von ihrer Rente nicht leisten. Neben einem dramatischen Personalmangel hat sich die Situation in den Altenheimen insofern zugespitzt, als sie zunehmend ins Visier von Kapitaldienstleistern und Anlagefonds geraten sind. Auf dem Rücken von Beschäftigten und Bewohner*innen wurden beachtliche Renditen eingefahren. Inzwischen kommt es allerdings – wie letztes Jahr in Bremen – auch zu Pleitewellen, für deren Folgekosten die öffentliche Hand aufkommen muss.

Um dem einen Riegel vorzuschieben und Impulse für mehr Vergesellschaftung und Planung zu geben, wäre zunächst ein Profitverbot durchzusetzen. Es soll Altenpflegeheime für privates Anlagekapital unattraktiv machen und ihren Betrieb am Gemeinwohl ausrichten. Ein Gutachten der Rosa-Luxemburg-Stiftung zeigt, dass dies heute schon möglich wäre (Baunack/Gilsbach 2023). Im Kita-Bereich etwa lassen Berlin und Bremen nur Träger zu, die gemeinwohlorientiert arbeiten. Darüber hinaus wäre es nötig, mehr kommunale Träger und Einrichtungen zu schaffen, Altenpflege also zu (re-)kommunalisieren. Trotz Subsidiaritätsprinzip ist das heute bereits möglich. Zwar ist der kommunale Betrieb noch kein Garant für bessere Angebote und mehr Mitsprache. Doch die Entprivatisierung der Trägerstruktur ist die Voraussetzung für eine demokratische Verwaltung: das Angebot orientiert sich dann am öffentlich festgelegten Bedarf statt am Profit. Dies wäre ein erster Baustein demokratischer Planung im Sorgebereich.

2 // Nahräumliche Versorgung – »Care-Superblöcke« in Barcelona

Je schwerer zugänglich die stationäre Pflege ist, desto belasteter sind die privaten Haushalte. Nicht zuletzt deshalb werden 84 Prozent der anfallenden Pflegearbeit heute von Angehörigen übernommen. Viele betreuungsbedürftige Menschen, gerade solche mit niedrigerem Pflegegrad, wollen aber trotz einer gut funktionierenden öffentlichen Infrastruktur in ihrer vertrauten Umgebung bleiben. Daher müssten im nächsten Schritt öffentliche Angebote geschaffen werden, die in die Haushalte »hineinreichen«, also ermöglichen, auch im Wohnumfeld ohne Überlastung zu pflegen.

Mit diesem Ziel hat die linke Stadtregierung von Barcelona zwischen 2015 und 2023 die sogenannten Care-Superblöcke (Superilles de les Cures) geschaffen, um über öffentliche ambulante Dienste auch die häusliche Pflege neu zu organisieren. In dem Modell betreuen Pflegeteams aus ungefähr zwölf Fachkräften eine Gruppe von etwa 50 Klient*innen, die alle im selben »Superblock« leben. Damit sind Nachbarschaften gemeint, in denen nicht mehr als 30 000 Menschen wohnen und alles in etwa fünf Minuten zu Fuß zu erreichen ist. Durch dieses Programm gewinnen die Pflegenden mehr Autonomie bei der Organisation ihrer Arbeit, kürzere Wege und damit kürzere Arbeitstage. Die Pflegebedürftigen profitieren wiederum von einer stabilen Bezugsgruppe, der direkteren Kommunikation und einer Betreuung, die flexibel an ihre Bedürfnisse angepasst werden kann. Eine engere Bindung zwischen den beruflichen und den familiär Pflegenden ermöglicht es, sensibler auf die Care-Bedürfnisse einzugehen. Außerdem geht es darum, öffentliche Verantwortung für einen sonst als privat deklarierten Raum zu übernehmen und bisherige Arrangements zu hinterfragen. Durch die (zeitliche) Entlastung der bezahlt wie unbezahlt Pflegenden kann es als etwas Positives erfahren werden, sich umeinander zu kümmern, was wiederum grundlegend ist für die Anerkennung und demokratische Planung weiterer Sorgebedürfnisse.

3 // Sorgezentren

Eine dritte wichtige Säule sind Infrastrukturen, die kollektive Formen des Füreinander-Sorgens fördern und einen Raum neben Privathaushalten und kommunalen Einrichtungen öffnen. Sie müssen anerkannt und öffentlich unterstützt werden, und zwar so, dass die Selbstverwaltung im Vordergrund steht, um Raum für sich verändernde Bedürfnisse und -praxen zu geben. Solche Strukturen lassen sich nicht am grünen Tisch entwerfen, sie müssen praktisch erprobt und stetig weiterentwickelt werden.


Vila Veïna – Barcelona


Auch hier gibt es ein inspirierendes Vorbild aus Barcelona: Die linke Stadtregierung schuf in den Care-Superblöcken Strukturen, die über die häusliche Pflege hinaus die unterschiedlichen körperlichen und sozialen Bedürfnisse der Bewohner*innen ermittelten. So wurde in jedem Block erhoben, welche Angebote es gibt und welche Bedürfnisse unbeantwortet bleiben. Auf dieser Grundlage wurde Vila Veïna für die Anliegen in diesem Gebiet entwickelt – von Sportkursen für pflegende Angehörige bis hin zur selbstorganisierten Kinderbetreuung oder zu Gemeinschaftsküchen. Die bei der Kommune angestellten Koordinator*innen behielten jeweils den Überblick, boten Beratung und Information und unterstützten die Weiterentwicklung der einzelnen Elemente des Programms. So wurden passgenaue Angebote sowie Räume für selbstorganisierte Aktivitäten geschaffen, in denen Care-Praxen für eine künftige demokratische Organisation und Planung entwickelt werden konnten – im Bereich der Sorgearbeit und darüber hinaus.


Sorge ins Park Center – Berlin


In Berlin knüpft die Kampagne »Sorge ins Park Center« an diese Idee an: Ein leer stehendes Einkaufszentrum soll zu einem Ort für gemeinschaftlich organisierte Sorgearbeit werden. Die Initiative wird von 30 bis 40 Aktiven aus dem Umfeld der Partei DIE LINKE sowie aus stadtplanerischen, feministischen und klimapolitischen Zusammenhängen getragen. Sie schlagen die Umnutzung einer innerstädtischen Fläche vor, die der Nachbarschaft zugutekommen soll. Angelehnt an die Vila Veïnas sollen dort Angebote jenseits von Kommerz entstehen, die zu den Bedürfnissen im Kiez passen. Das große Gebäude würde Platz bieten für die (derzeit prekäre) Nahversorgung, für ein interdisziplinäres Gesundheitszentrum sowie eine Tagespflege mit Unterstützungsangeboten für pflegende Angehörige. Denkbar wären auch Räume für gemeinschaftliche Kinderbetreuung, ein Rentner*innen-Café, Sozialberatungen aller Art, Angebote für Frauen mit Gewalterfahrung und auch ganz praktische Dinge wie eine Waschküche, eine Kiezkantine und ein Versammlungsraum für politische Debatten und Feste. Damit würde ein gemeinsamer Ort für ganz unterschiedliche Personengruppen entstehen, die sich dort kennenlernen und über ihre Wünsche für den Kiez austauschen können. Um die dringendsten Bedarfe zu ermitteln und das Projekt bekanntzumachen, werden derzeit Gespräche organisiert, etwa im Rahmen von Haustürbesuchen und zahlreichen Veranstaltungen. Es gibt eine Vernetzung mit Initiativen im angrenzenden Kunger-Kiez sowie mit den Mieter*innen der zum Center gehörenden Wohnungen.

Ausgangspunkt für mehr

Viele dieser Ideen sind nicht neu, doch sie müssen weiterentwickelt und an neue Bedingungen und Bedürfnisse angepasst werden. Die neoliberale Subjektivierung geht so weit, dass soziale und kollektive Rechte vielen nicht mehr unmittelbar einsichtig sind und ihre Durchsetzung kaum möglich scheint. Gerade deshalb müssen wir den Fokus darauf richten, wie die Krisen im individualisierten Alltag der Menschen ankommen. Der Blick auf die Sorgeverhältnisse gibt neue Impulse für Vergesellschaftung und demokratische Planung und damit Chancen für linke Kämpfe und transformatorische Politik insgesamt.