„Abschottung nach außen und rechtsautoritäre Formierung nach innen bedingen und verstärken sich gegenseitig. Es geht niemals „nur“ um Migration und die Rechte Schutzsuchender. Es geht darum, den Grundpfeiler einer autoritären Gesellschaftsordnung zu errichten. Dieses Projekt trifft auf immer breitere Resonanz und schafft neue Allianzen, von Migrationsfeinden über Corona-Leugner*innen bis zu rechten Umsturzprojekten. Es geht ums große Ganze.“ (Clara Bünger)


Wir haben im Moment des autoritären Umbaus in Deutschland und Europa die Verantwortung, als Linke in die Offensive zu kommen: Die sozial-ökologische Transformation muss entwickelt, der Frieden gesichert, der situierter Antirassismus gestärkt, der (Queer-)Feminismus verteidigt und Nationalismus, Imperialismus und die globalen Verheerungen des Kapitalismus müssen bekämpft werden. 

Bei den Massendemonstrationen der vergangenen Wochen konnten wir beobachten, dass der richtige und Hoffnung machende Impuls der Empörung über die „Remigrationspläne“ der Rechten nicht zu einer Empörung über die immer menschenverachtendere Migrationspolitik der Regierung geführt hat. Wer mit Scholz und Baerbock gegen die Deportationsfantasien der AfD demonstriert, blendet die Menschen aus, die durch ihre Asylreformen und großen Abschiebeoffensiven zunehmend bedroht werden. Es blendet den Doppelstandard aus, der einerseits Schutzsuchende stigmatisiert, kriminalisiert und ihnen Ausbildungs- wie Arbeitsrechte verwehrt, und andererseits kostspielige internationale Abkommen abschließt, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. 

Wir müssen nicht auf die Machtübernahme der Faschist*innen zur Verwirklichung tödlicher Migrationspolitik warten, denn gerade dieser Tage werden wir Zeug*innen einer zunehmenden Internierung von Migrant*innen in Lagern dies- und jenseits der europäischen Grenzen, der völligen Aushebelung des Rechts auf Asyl durch das GEAS mit massenhaften Abschiebungen, Rekordzahlen von Gewalttaten gegen Geflüchtete und eine rechtsterroristische Bedrohung, die in Deutschland weit größer ist als in allen anderen europäischen Ländern, all das befeuert von einem identitären Kulturkampf von rechts. In der Berliner Erklärung in Verteidigung der Migrationsgesellschaftder wir uns anschließen, heißt es: „Die permanente und immer perfidere, weil faktenfreie Skandalisierung der Migration drängt fortwährend Menschen aus unserer gemeinsamen Welt heraus.“. Die Erklärung verweist darauf, dass das Problem nicht im Feld der Migration selbst liegt, sondern in der Skandalisierung und Instrumentalisierung von Migration. 

Nun braucht es eine Linke, die diesen Widerspruch sieht, anprangert und aushebelt. Sie muss das Thema Migration zum Kern ihrer Strategie gegen autoritäre Dynamiken machen und die Gesellschaft der Vielen zum Ausgangspunkt nehmen. Denn es sind die genannten Doppelstandards, die dazu geführt haben, dass die vielen migrantischen Selbstorgansierungen, die in den letzten Jahren zehntausende von Menschen auf die Straße gebracht haben, in den Mobilisierungen der letzten Wochen weitestgehend fehlten – und auch nicht vermisst wurden. Ohne Migrant*innen gegen Remigration demonstrieren? Mit Bezug auf die Proteste in Duisburg bezeichnet der Autor und politische Bildner Burak Yilmaz die Demonstrationen als „politische Reinwaschaktion“, die Migrant*innen „nicht in das Zentrum der Debatte stellt, sondern an den Rand“.

»Ohne Migrant*innen gegen Remigration demonstrieren?«

Diesen eklatanten Missstand müsste insbesondere eine „LINKE für alle“ adressieren und politisieren. Denn die Partei hat eigentlich alles, was es dafür braucht: Zahlreiche Genoss*innen setzen sich für die Perspektive einer Gesellschaft der Vielen in den Parlamenten und in der politischen Bildung ein und sind seit vielen Jahren auf der Straße aktiv. Ihr Engagement ist breit aufgestellt, sodass sich die Linke hier nicht nur rhetorisch oder in Teilaspekten, sondern grundlegend von allen anderen Parteien unterscheidet. So wurden Vorschläge für ein progressives Einwanderungs- und Antidiskriminierungsgesetz erarbeitet, die insbesondere diejenigen mitdenkt, die seit Jahrzehnten Ausgrenzung und Rassismus erfahren. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Konzepte und Diskussionen zur erleichterten Einbürgerung und zur Unterstützung neuer Wahlrechtsbedingungen und Partizipationsmöglichkeiten, etwa in Berlin die Entwicklung eines Partizipationsgesetzes unter einer linken Senatorin. Mitglieder des Bundestags sprechen sich lautstark für sichere Fluchtwege und offene Grenzen aus und organisieren die Opposition gegen die europäische Abschottungspolitik. Andere verknüpfen antirassistische mit antifaschistischen Perspektiven im politischen Aktivismus. In Berlin konnte eine linke Regierungsbeteiligung wenigstens einen temporären Abschiebestopp für den Winter erwirken, sowie die Erweiterung dezentraler Unterbringungsmöglichkeiten für Geflüchtete. Und zahlreiche Genoss*innen ringen seit vielen Jahren gemeinsam mit Betroffenen rassistischer Gewalt um Erinnerung, Aufklärung und Konsequenzen, etwa in parlamentarischen Untersuchungsausschüssen zum NSU-Komplex oder Hanau.

In der Vergangenheit wurden solche Interventionen, Programme und Beschlüsse der Partei systematisch durch die mediale Inszenierung der Personen um den heutigen BSW konterkariert. Damit wurden eben jene Widersprüche erzeugt, die es für viele (Post-)Migrant*innen unmöglich machten, die LINKE zu wählen. Durch den Weggang dieses nationalistisch argumentierenden Flügels könnte diese Blockadepolitik überwunden werden. Der Weg wäre frei, die Inhalte einer Migrationspolitik nach vorne zu bringen, die einer (post-)migrantischen Gesellschaft gerecht wird. Die vielen neuen Parteieintritte auch von Linken mit Migrationsbiographien machen Hoffnung. Dennoch blieb zur Enttäuschung vieler migrantischer Akteur*innen und zivilgesellschaftlicher Verbände eine unmissverständliche und öffentlichkeitswirksame Neupositionierung für eine (post-)migrantische Perspektive der LINKEN bislang aus. Ob bei der nachgeholten Berlinwahl, im Europawahlkampf oder in den zahlreichen Aufbruchsstatements: Neben den Themen Miete, soziale Gerechtigkeit, Frieden und Klima herrscht Schweigen zu den vielfältigen Aspekten der Migration. Kein einziges Wahlplakat thematisierte Antidiskriminierung, Wahlrecht für alle, Antirassismus, Betroffenenorganisierung gegen rechts, Bewegungsfreiheit, Asyl, Abschiebung, offene Grenzen oder auch nur kulturelle Vielfalt. Dieses Schweigen dröhnt in unseren Ohren. Und es ist brenzlig, weil es eine Chance verpasst. 

Die Frage drängt sich auf, warum die LINKE nach wie vor und trotz aller Interventionen und Bemühungen, Beschlüssen und richtigen Haltungen dem Thema Migration fremd gegenüberzustehen scheint. Wir denken, dass der Aufbruch für eine Erneuerungskampagne der Partei unter dem Schlagwort „Eine Linke für alle!“ aktuell in kontroversen Debatten feststeckt. Sie sind aus unser Sicht zwischen zwei Polen aufgespannt und übersehen dabei Wesentliches: Einerseits kommt es in der notwendigen Verteidigung der liberalen Demokratie immer wieder zu neoliberalen Verstrickungen, wenn etwa gefordert wird, man dürfe sich als eine „Linke für alle“ nicht zu sehr von der Ampel abgrenzen. Andererseits wird eine autoritäre und antiliberale Verstrickung von links dort sichtbar, wo mit dem Bezug auf die lohnabhängige Klasse radikale antirassistische Haltungen abgewehrt werden – mit dem Argument, man verprelle mit Minderheitenpolitik die Mehrheit der Lohnabhängigen, den Mittelstand sowie die ‚normalen Leute‘ und damit die „Gemeinschaftsorientierung“. Dabei wird erneut ein homogenes Bild unserer Gesellschaft entworfen, dass so nicht besteht. Bei den Positionen, denen es in diesem Sinne vor allem um Wähler*innenstimmen geht, sehen wir eine Unschärfe, die der überall stattfindenden Anbiederung an rassistische Migrationspolitik, sei es in Form neoliberaler Ausbeutung oder in Form Ressentiment geladener Volksnähe, nichts Grundlegendes entgegenzusetzen weiß. Diese Unschärfe verschließt sich der eigenen Vision von Solidarität für eine gerechtere Welt, untergräbt die erfolgreiche und anerkannte Arbeit von Genoss*innen sowie Betroffenen und hat einen bitteren Beigeschmack. Wer Haupt- und Nebenwidersprüche aufmacht, etwa zwischen Klasse und Migration, die eine Gleichzeitigkeit von Debatten und Diskursen verunmöglicht, verkennt eben, wer eigentlich alles zu den „normalen Leuten“ zählt. Die Klasseninteressen und sozialen Bedürfnisse von Migrant*innen sind Belange von normalen Leuten. „Die normalen Leute“ und die lohnabhängige Klasse besteht aus der Gesellschaft der Vielen, die von Migration geprägt und bewegt wird. 

»Die Frage drängt sich auf, warum die LINKE trotz aller Bemühungen, Beschlüsse und richtigen Haltungen mit dem Thema Migration zu fremdeln scheint.«

Wir können beobachten, wie in einer neoliberalen Logik Diversität gefordert und gefeiert wird, ohne die materialistischen Bedingungen von Entrechtung und Ausbeutung zu adressieren. Wir können jedoch aus dieser Erkenntnis heraus nicht soziale Gerechtigkeit fordern, ohne die Akteur*innen der sozialen Kämpfe und der Klassenkämpfe in ihrer Heterogenität und ihren Singularitäten zu erkennen. Beiden Seiten, dem neoliberalen Diversitymanagement sowie dem orthodoxen Klassenbegriff, ist zu eigen, dass sie die (post-)migrantischen Realitäten in ihrer Klassenposition und in ihren vielfältigen sozialen Kämpfen übersehen oder verkürzt begreifen. Wir möchten dem eine dritte Perspektive entgegenstellen, die sowohl dem Neoliberalismus widerspricht, ohne autoritär abzudriften, wie auch den autoritären Dynamiken widerspricht, ohne neoliberal zu argumentieren. 

Auf der Höhe der Zeit…

Wir sagen, eine Linke auf der Höhe der Zeit spiegelt die Gesellschaft der Vielen wider und nimmt sie zum Ausgangspunkt. Mit der Gesellschaft der Vielen meinen wir einerseits eine zeitdiagnostische Bestandsaufnahme und selbstreflexive Verortung unserer immer schon durch Migration geprägten und transformierten Gesellschaft, gleichzeitig aber auch eine Idee einer noch zu erkämpfenden solidarischen Zukunft. Sie ist also zugleich Analyse wie Vision.

In der Gesellschaft der Vielen drücken sich die zahllosen partikularen Kämpfe der Vergangenheit aus, die schon immer auf intersektionale Weise miteinander verwoben waren und damit bloße Konzepte von Pluralität und Diversität überschreiten. Unsere gemeinsamen Suchbewegungen nach Solidarität müssen sich auf die heterogenen Kämpfe gegen Entrechtung und Ausbeutung richten. Auch wenn letztlich alle von der autoritären „Zeitenwende“ bedroht sind, findet der Angriff nicht zufällig auf dem Feld der Migration und gegen alle, die als nicht-deutsch (genug) gelesen werden, statt. Migrant*innen sind darin aber nicht bloße Opfer rechter Politik, sondern sie stellen als (post-)migrantische Subjekte genau jene Produktion der Differenz und Vielheit dar, die dem völkischen Projekt im Weg steht. 

Gerade die Bewegungen der Migration haben in den letzten Jahrzehnten viele soziale sowie demokratische Kämpfe dynamisiert und unsere Gesellschaft grundlegend und progressiv verändert. Migration fordert uns heraus, uns den Bedingungen der Zeit anzupassen und Gerechtigkeit einzufordern. Gegen menschenunwürdiges Wohnen, gegen ein segregiertes Bildungssystem, gegen die rassistische Unterschichtung des Arbeitsmarkts, gegen den Ausschluss von politischer Partizipation, gegen Stigmatisierung und Diskriminierung haben (Post-)Migrant*innen seit jeher für eine grundsätzliche Liberalisierung und Ausweitung von sozialen Rechten in diesem Land gestritten. Das bedeutet nicht, dass die jeweiligen Akteur*innen immer politisch links beheimatet waren, auch wenn gerade von den 1950ern bis 1990er Jahren viele linke Theorien und Praktiken entlang der Migrationsrouten nach Deutschland gelangt sind. Es bedeutet jedoch, dass das grundsätzliche Fordern einer Gesellschaft der Vielen und das Sich-Wehren gegen strukturelle Ausbeutung und Entrechtung eine ebenso grundsätzliche Ausweitung sozialer Rechte impliziert – und zwar für alle. In diesem Sinn ist die (post-)migrantische Gesellschaft, der wir alle angehören, eine Errungenschaft, die nicht nur von links zu verteidigen ist, sondern die in ihren demokratisierenden Effekten auch als Bedingung für linkes Handeln verstanden werden sollte. 

…auf dem Feld der Migration…

Während sich die verstreute Linke unsicher zu sein scheint, wie mit den (post-)migrantischen Realitäten umzugehen ist, haben die Rechten schon lange erkannt, dass sie genau hier den Hebel für ihren Angriff auf die demokratische Verfasstheit unserer Gesellschaft ansetzen müssen. Neben den Angriffen auf (queer-)feministische Errungenschaften und geschlechtliche Vielfalt setzt die Rechte von Werteunion bis AfD auf einen ethnopluralistischen Nationalismus, der gegen Migrant*innen, Geflüchtete und Muslim*innen sowie gegen Einwanderung und Bewegungsfreiheit hetzt und sich in täglich neuen Fantasien ihrer Entrechtung, Gängelung und Bedrohung überschlägt. Diese Positionen finden nicht nur Resonanz in den Echokammern einer zunehmend extremistischen Mitte, sondern nehmen vielmehr dort ihren Anfang. Die faschistische Fantasie umfassender „Remigration“ meint dabei nicht nur „ethnische Säuberung“, sondern die Entmigrantisierung unserer Gesellschaft, also die Trennung, Homogenisierung und Hierarchisierung miteinander verwobener Vielheiten.   

Wir wissen, dass am Ende alle gemeint sind, wenn heute Geflüchtete und Migrant*innen entrechtet und stigmatisiert werden. Das Ziel rechter Angriffe ist die Normalisierung eines permanenten Ausnahmezustands zur Aushebelung des demokratischen Zusammenhalts. Doch auch wenn wir alle gemeint sind, kann die Verteidigung nicht so erfolgen, als wären alle gleichermaßen angegriffen. An Geflüchteten wird die Normalisierung dieses Ausnahmezustandes bereits täglich in Talkshows, Zeitungsartikeln, Medienberichten, ‚politischen Debatten‘ und ständiger behördlicher Belästigung und Bedrohung im Alltag erprobt. Sie sind das diskursive und praktische Laboratorium für den drohenden autoritären Umbau, aber gleichzeitig dessen reale Zielscheiben. Wir sehen, dass Rassismus ein treibender Motor von Entrechtung ist und der Einübung struktureller Entmenschlichung dient. Das heißt jedoch im Umkehrschluss nicht, dass die rechte Strategie, jegliche Krise zu migrantisieren, sprich, alle Probleme unser Zeit den Migrant*innen anzudichten, mit einer Entmigrantisierung der Debatte von links zu begegnen wäre. 

Nichtsdestotrotz zeigen Teile der Linken allzu häufig keine klare Haltung zu verschiedenen Themen der Migration: sei es beim „Jein“ zum Bundeswehreinsatz zur Rettung von Afghan*innen vor der Machtübernahme der Taliban oder wenn Debatten der Einbürgerung und Einwanderung gescheut werden und versucht wird, sich unter Umgehung der (post-)migrantischen Akteur*innen der sozialen Frage bzw. Klassenfrage zuzuwenden. Das platziert die Mauer gegen rechts ebenso an falscher Stelle, wie es eine neoliberale Diversitypolitik tut, die die (Post-)Migrant*innen als ausgebeutete Klasse und entrechtete Bevölkerung ignoriert. 

»Die liberale und klassenbewusste (post-)migrantische Gesellschaft der Vielen ist das Fundament für die Brandmauer gegen rechts.«

Dem möchten wir entgegenhalten: Die liberale und klassenbewusste (post-)migrantische Gesellschaft der Vielen ist das Fundament für die Brandmauer gegen rechts. Sie verfügt neben den in der Gesellschaft prinzipiell akzeptierten Grundsätzen von Freiheit und Gleichheit die bis heute fehlende Forderung nach Geschwisterlichkeit im Sinne solidarischer Beziehungsweisen und fordert diese ein. Die Brandmauer gegen rechts ist also nicht dort anzusetzen, wo eine vermeintliche Mehrheit „der normalen Leute“ einzufangen versucht wird, sondern entlang derer, die vor Entrechtung, Ausbeutung und Marginalisierung geschützt werden müssen und die dagegen kämpfen. Entlang der Gesellschaft der Vielen.

…eine Welt zu gewinnen

Es ist Zeit, klare Haltung zu zeigen und den antifaschistischen und sozialistischen Grundkonsens der LINKEN aus einer (post-)migrantischen Perspektive konsequent weiterzuentwickeln. Ansonsten wird nicht nur die jahrelange Arbeit zahlreicher Parteimitglieder, solidarischer Selbstorganisationen und Betroffener untergraben, sondern es macht auch auf EU-Ebene die jahrelange Arbeit unserer Genoss*innen zur Seenotrettung und die Skandalisierung rassistischer Abschottungspolitik unsichtbar. Bleibt Migration nur ein (Querschnitts-)Thema unter vielen, und dazu noch eines, das mit Angst vor dem Verlust an Zustimmung eher vermieden wird, anstatt es als primäres Kampffeld und Ort des Widerstandes aufzusuchen, wird es eine dringend benötigte Erneuerung der LINKEN für eine Gesellschaft der Vielen nicht geben. Wir sehen mit Sorgen, dass die Rechten nicht nur die Ampelregierung in ihrer Migrationspolitik vor sich hertreiben, sondern dass auch in der Linken aus Angst vor einem Bedeutungsverlust die selbstverständliche Bezugnahme auf (post-)migrantische Perspektiven und Forderungen erschwert wird. Migration als Klassenkampf, globale Bewegungsfreiheit und (post-)migrantische Beziehungsweisen sind Angstthemen in der Linken. Diese Angst führt zu einem Zustand der Ratlosigkeit. Sie erstickt jede mutige Vision und ist mit einem Empfinden der Niederlage verbunden. Und sie macht die Brandmauer gegen rechts durchlässig. Das öffnet Demokratiefeind*innen die gesellschaftlichen Bühnen, auf denen über die Zukunft unserer Gesellschaft verhandelt wird. Den Zugang zu diesen Bühnen haben sich viele Marginalisierte in den letzten Jahrzehnten bitter erkämpft, nicht zuletzt auch in linken Kontexten. Um sie zu verteidigen bräuchte es nicht nur mehr Mitglieder mit Migrationshintergrund in der LINKEN oder in linken Organisationen. Es braucht vor allem eine Strategie, die Betroffene in ihren Perspektiven und in ihren Forderungen mit einbezieht, Migration zum Ausgangspunkt ihres Selbstverständnisses macht und die (post-)migrantische Gesellschaft der Vielen zu ihrer Haymat erklärt.

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