Nach der Pandemie verschärft die rasant steigende Inflation und dabei vor allem die Entwicklung der Energiepreise noch einmal die soziale Lage in Deutschland, während große (Energie-)Konzerne enorme Extraprofite verzeichnen. In Deutschland fordert die LINKE daher seit Langem einen Energiepreisdeckel für einen Grundverbrauch, die Fortsetzung des 9-Euro-Tickets und eine Übergewinnsteuer, um die leistungslosen Extraprofite abzuschöpfen und Mittel für die Finanzierung der anderen Maßnahmen zu realisieren. Doch die Bundesregierung reagiert, wenn überhaupt, nur langsam, blockiert Beschlüsse für eine Übergewinnsteuer, verschleppt eine Nachfolge für das 9-Euro-Ticket und will eine Gaspreisbremse umsetzen, die wenig zielgerichtet ist und damit sehr teuer und ohne ökologische Lenkungswirkung zur Senkung des Gasverbrauchs sein wird. Vergleichbare europäische Maßnahmen, vor allem zu einem Gaspreisdeckel, aber auch zur Übergewinnsteuer, blockiert die deutsche Regierung.

Im starken Kontrast dazu steht die schnelle Reaktion der Mitte-Links-Regierung von Sozialistischer Partei (PSOE) und der Linksallianz Unidas Podemos (aus Vereinigter Linker/Izquierda Unida und Podemos) im spanischen Staat, wie eine neue Studie von Yago Álvarez im Auftrag der Rosa-Luxemburg-Stiftung belegt. Sie hatte auf Veranlassung letzterer zügig eine Übergewinnsteuer für den Energiesektor, aber auch für den Bankensektor umgesetzt. Außerdem wurde zumindest vorübergehend eine Vermögenssteuer erlassen. Damit finanziert sie einen Gaspreisdeckel und Maßnahmen in Richtung Verbilligung (und teilweise sogar kostenfreiem) Nah- und Fernverkehr. Darüber hinaus drängte die spanische zusammen mit der portugiesischen Regierung auf europäische Lösungen, die zumindest für den Bereich der Übergewinnsteuer auch zu Beschlüssen der Kommission führten. Beim Gas- bzw. Energiepreisdeckel jedoch bremst ausgerechnet die deutsche Regierung eine europäische Kooperation aus. Hier zeigt sich vielleicht auch, dass eine Regierungsbeteiligung der Linken hinsichtlich eines solidarischeren Umgangs mit der Krise einen Unterschied machen könnte. 

Übergewinnsteuer heißt 3,5 Milliarden in die öffentlichen Kassen

Wie überall in Europa stiegen auch in Spanien die Energiepreise infolge von Krisen und Krieg dramatisch an. Die drei großen Energiekonzerne in Spanien, Naturgy, Iberdrola und Endesa, verzeichneten schon im Jahr 2021 Rekordgewinne und konnten diese im laufenden Jahr noch einmal beträchtlich steigern: Allein in den ersten sechs Monaten kletterten ihre Gewinne zusammen auf über 3,5 Mrd. Euro bzw. um 24 Prozent. Iberdola stieg mit einer Profitsteigerung von 36 Prozent zur Nummer Eins im spanischen Börsenindex Ibex auf. Auch der Ölkonzern Repsol fliegt von einem Gewinnrekord zum nächsten, mit 2,5 Mrd. Euro allein in den ersten sechs Monaten dieses Jahres. 

Frühzeitig legte die linke Parteienallianz Unidas Podemos ein Konzept für eine Übergewinnsteuer vor. Nach drei Monaten schwieriger Verhandlungen mit dem Koalitionspartner und mit der Unterstützung kleinerer und regionaler Linksparteien im Parlament wie Más País, Compromís, EH Bildu y Esquerra Republicana de Catalunya konnte Unidas Podemos letztlich ein Gesetz durchbringen, mit dem 1,2 Prozent der Profite der großen Strom-, Gas- und Ölkonzerne vom Staat abgeschöpft werden können. Das Gesetz gilt auch für die Extraprofite im Finanz- und Bankensektor. Da es sich nur auf die großen marktbeherrschenden Konzerne bezieht, soll es zugleich einen antimonopolistischen Effekt haben und kleinere und mittlere Unternehmen nicht zusätzlich belasten. 

Die neue Steuer könnte in den Jahren bis einschließlich 2024 jährlich bis zu 2 Mrd. Euro aus dem Energiesektor und 1,5 Mrd. Euro aus dem Finanzsektor in die öffentlichen Kassen spülen. Damit die Steuer von den Unternehmen nicht über die Preise auf die Konsument*innen umgelegt wird, sind entsprechende Kontrollen und Sanktionen vorgesehen.

Darüber hinaus hatte Unidas Podemos bereits nach Ausbruch der Pandemie eine Gesetzesinitiative für Vermögenssteuer eingebracht. Sie wurde vom Koalitionspartner PSOE wiederholt abgelehnt. Doch nach zähem Ringen kündigte die Regierung doch eine neue befristete Steuer an, die von Steuerpflichtigen ab einem Nettovermögen (Bruttovermögen abzüglich Schulden) von mehr als drei Millionen Euro zu entrichten ist. Die Abgabe ist über mehrere Stufen gestaffelt: Zwischen drei und fünf Millionen Euro liegt der Satz bei 1,7 Prozent, zwischen fünf und zehn Millionen Euro bei 2,1 Prozent und über zehn Millionen Euro bei 3,5 Prozent. Nach Berechnungen des Finanzministeriums werden Einnahmen in Höhe von rund 1,5 Milliarden im Jahr Euro erwartet.

Spanien drängte zusammen mit Portugal auch auf europäische Lösungen. Die EU-Kommission unterbreitete aufgrund diverser Vorstöße weiterer Mitgliedsstaaten wie Italien, Griechenland, Rumänien und Ungarn, die ebenfalls Übergewinnsteuern eingeführt hatten oder deren Einführung prüfen (vgl. Trautvetter/Kern-Fehrenbach 2022), schließlich einen eigenen Vorschlag für den Energiesektor: Sie definiert als „Übergewinn” Profitsteigerungen um mehr als 20 Prozent gegenüber der Vorjahresperiode, die künftig EU-weit mit mindestens 33 Prozent besteuert werden. Die Kommission beziffert die erwarteten Einnahmen für die öffentliche Hand auf bis zu 140 Mrd. Euro pro Jahr. Mit diesen Einnahmen ließe sich ein Energiepreis- oder zumindest ein Gaspreisdeckel einführen. 

Entlastung bei den Strompreisen

Nachdem die spanische Regierung bereits sehr frühzeitig die Mehrwertsteuer für Strom und Gas senkte und so mehr als 4,2 Mrd. Euro weniger von den Verbraucher*innen einnahm, schlug Unidas Podemos die Einführung eines Gaspreisdeckels für die Stromerzeugung vor, bei 30 Euro pro Megawattstunde. [1] Die Initiative wurde im Parlament zunächst abgelehnt, auch durch den Koalitionspartner PSOE. Nur fünf Tage danach verkündeten der spanische Regierungschef Pedro Sánchez und der portugiesische Ministerpräsident Antonio Costa eine Vereinbarung über eine gemeinsame Einführung eines Gaspreisdeckels – und zwar bei 30 Euro pro Megawattstunde. Kurz darauf akzeptierte die EU dieses Vorhaben zum Eingriff in den Marktpreismechanismus als “iberische Ausnahme”. 

Es folgten Verhandlungen mit Interessenvertretern und Ministerien. Beschlossen wurde schließlich ein Modell, in dem der Preis pro Megawattstunde in den ersten sechs Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes bei 40 Euro gedeckelt wird. Danach folgen monatliche Steigerungen um jeweils 5 Euro bis ein Wert von maximal 70 Euro erreicht ist. Auf diese Weise soll Zeit gewonnen werden, damit Regierung, Unternehmen und Verbraucher*innen sich an die neue Situation anpassen können, auch als Anreiz für einen schnelleren Umstieg auf regenerative Energien.

Für einkommensärmere, sogenannte vulnerable Haushalte gelten geringere Tarife, sodass diese 18 Prozent weniger für Strom ausgeben mussten. Der Durchschnittspreis der Haushalte im Land konnte auf 268 Euro/MWh gesenkt werden, 36 Prozent weniger als in Frankreich, 27 Prozent günstiger als in Deutschland und sogar 41 Prozent billiger als in Italien. Die privaten Haushalte im spanischen Staat sparten so 2,3 Mrd. Euro an Energiekosten ein, was die Menschen spürbar entlastet und Zeit verschafft für die schnellere Umstellung auf regenerative Energien. 

10-Euro-Ticket bis zum Ende des Jahres

Dazu kamen weitere Entlastungen wie die sofortige Anhebung der staatlichen Renten um 15 Prozent oder vergünstigte oder entgeltfreie Tickets im öffentlichen Verkehr. Ähnlich wie in Deutschland wurde ein 10-Euro-Ticket eingeführt, welches allerdings noch bis zum Ende des Jahres gilt. Die spanische Bahngesellschaft Renfe bietet zusätzlich auf allen inländischen Fernstrecken 50 Prozent Preisnachlass. Vor allem aber ist die Nutzung aller Regional- und Nahverkehrszüge derzeit kostenfrei und werden millionenfach genutzt. Die Zahl der Nutzer*innen stieg schon in der ersten Woche schlagartig um 27 Prozent.

Nach Schätzungen der Regierung befördert die Einführung der Maßnahmen im Verkehr mit bis zu 75 Millionen Fahrten, die nicht mit dem Auto, sondern mit den öffentlichen Verkehrsträgern unternommen werden, nicht nur eine Mobilitätswende sowie die Verringerung der Energieabhängigkeit. Auch können 118 Millionen Liter Treibstoff und über 360 000 Tonnen Kohlendioxid in der Atmosphäre eingespart werden.

Lehren aus Spanien

Das spanische Beispiel zeigt, wie auch in Deutschland die Energiepreiskrise bearbeitet werden könnte:  indem die Menschen effektiv entlastet werden, vor allem die einkommensärmeren Gruppen und Klassen, und indem die krisen- und kriegsbedingten Extraprofite der Konzerne abgeschöpft würden. Dies würde ganz nebenbei etwas mehr soziale Gerechtigkeit herstellen.

Der enorme Erfolg des 9-Euro-Tickets spricht für sich, die Menschen sind bereit für eine Mobilitätswende, wenn ein günstiges, für alle bezahlbares Angebot vorliegt (vgl. Knierim/Leidig 2022). Das geplante 49-Euro-Ticket ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber sozial unausgewogen, noch zu teuer etwa für einkommensarme Haushalte mit mehr als drei Personen.

Eine andere Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung zeigt, dass es für Maßnahmen wie sie in Spanien eingeführt wurden, breite Mehrheiten in der Bevölkerung gibt (vgl. Candeias/Völpel/Witt 2022). Ergebnisse einer bundesweiten repräsentativen Umfrage belegen, 56 Prozent aller Befragten sprechen sich für die Einführung eines Energiepreisdeckels aus (39 Prozent dagegen), wenn dieser die Kosten für den Grundverbrauch an Gas und Strom der Privathaushalte deutlich senkt. Ein derartiger Energiepreisdeckel findet dabei unter Anhänger*innen fast aller Parteien (mit Ausnahme der AfD) große Zustimmung, am stärksten bei Anhänger*innen der Partei DIE LINKE, die sich seit Langem dafür ausspricht. Entsprechende Modelle liegen vor (ebd., und Witt 2022), es ist Zeit, sie auch umzusetzen. 

Auch im Hinblick auf die Gegenfinanzierung gibt es klare Werte. Knapp drei Viertel der Befragten (72 Prozent) sprechen sich für die Einführung einer sogenannten Übergewinnsteuer aus, um Unternehmen, die von der Marktentwicklung in der gegenwärtigen Krise profitieren, stärker zu besteuern. Und das über alle Parteipräferenzen hinweg. Hier liegen die Zustimmungswerte zwischen 96 Prozent (DIE LINKE) und 56 (AfD) bzw. 53 Prozent (FDP).

 

 

 

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Eine Studie des Netzwerks Steuergerechtigkeit im Auftrag der Rosa-Luxemburg-Stiftung errechnet Extraprofite für Mineralölkonzerne und Stromproduzenten in Deutschland von rund 110 Milliarden Euro in einem Jahr. Diese Übergewinne könnten – je nach Ausgestaltung und Höhe des Steuersatzes (25, 50 oder 90 Prozent) – der öffentlichen Hand hierzulande Einnahmen von rund 30 bis 100 Milliarden Euro pro Jahr einbringen (Trautvetter/Fehrenbach 2022: 5; vgl. auch Fehrenbach 2022). Die LINKE fordert zusätzlich seit langer Zeit die Wiedereinführung der Vermögenssteuer und/oder einer Vermögensabgabe.

Diese Mehrheiten für die Einführung eines Energiepreisdeckels sowie einer Übergewinnsteuer spiegeln sich jedoch nicht in der aktuellen Politik der Ampelregierung wider. Sie zögert oder verteilt mit der Gießkanne, sozial unausgewogen und ohne ökologischen Effekt  ̶ und sie blockiert auf europäischer Ebene. Vor allem aber wirkt diese inkonsistente Politik als Förderprogramm einer radikalen Rechte, die sich den weiter steigenden Unmut in der Bevölkerung zunutze macht. 

[1] Aktuell treiben die hohen Gaspreise auch die Strompreise hoch, da an der Strombörse das letzte benötigte Kraftwerk den Preis für alle anderen Erzeugungsarten setzt. Und dies ist wegen seiner Flexibilität oft ein Gaskraftwerk. In Spanien wird der Gaspreis bei der Stromproduktion deshalb nun staatlich gedeckelt. Stromerzeuger von Gaskraftwerken dürfen bei ihrer Kostenkalkulation für ihr Angebot an der Strombörse einen staatlich festgelegten Gaspreis pro Megawattstunde nicht überschreiten. Das hat zwei Effekte: Zum einen sinken die Strompreise insgesamt. Zum anderen werden leistungslose Extraprofite bei Kohle, Gas und Erneuerbaren gemindert. Der Staat schießt die Differenz zwischen den festgesetzten und dem tatsächlichen Marktpreis für Gas, zu dem die Stromerzeuger kaufen, zu.

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