Das Ausscheiden von Lafontaine und Bisky aus der Parteiführung schuf ein Machtvakuum. Das Ringen um gemeinsame Positionen, vergleichbar der Erarbeitung der programmatischen Eckpunkte, trat in den Hintergrund. Kämpfe um den Einfluss auf Deutungsmacht und Ausrichtung der Partei prägen die Kontroversen. Welche inhaltlichen Differenzen und Interessenunterschiede stehen hinter diesen Auseinandersetzungen? Die Linke wurde 2009 bei den Bundestagswahlen als gesamtdeutsche Protestpartei gegen die Agenda 2010 gewählt, als Partei, die für angemessene Löhne, die Sicherung der Altersvorsorge und gute Bildungspolitik sorgen will. Sie wurde vor allem von Arbeitern, Arbeitslosen (jedeR vierte), Gewerkschaften und Rentnern gewählt. In den westdeutschen Bundesländern kamen ihre Wähler überdurchschnittlich oft aus den unteren sozialen Gruppen der Gesellschaft. Es sind insbesondere Männer mittlerer Jahrgänge mit eher mittleren oder niedrigeren formalen Bildungsabschlüssen. In den ostdeutschen Bundesländern wird sie auch vor allem von Arbeitern, Arbeitslosen und Gewerkschaftern, aber fast ebenso vielen Angestellten, Beamten, Landwirten und vor allem Rentnern gewählt. Die Linke wird hier von Frauen ebenso zahlreich wie von Männern gewählt, ihre Wählerschaft hinsichtlich der formalen Bildungsabschlüsse ist ausgeglichen. Sie ist also gesamtdeutsche Protestpartei der eher sozial Schwachen und zugleich im Osten linke Volkspartei, d.h. sie wird dort von allen sozialen Milieus gewählt und formuliert gleichermaßen ihre Politikangebote mit einem klaren Anspruch auf Regierungsbeteiligung. Im Saarland gibt es eine ähnliche Situation. Dieses unterschiedliche Verständnis als Protest- oder Volkspartei ist innerhalb der Partei strittig: Das Konzept Volkspartei relativiere den Fokus auf die sozial Schwachen, es sei beliebig und widerspreche dem Verständnis der Partei als Klassenpartei der Erwerbstä- tigen und Erwerbslosen. Auf der anderen Seite grenze der Ansatz der Protestpartei der sozial Schwachen wichtige gesellschaftliche Wählerschichten aus, schreibe Die Linke als Oppositionspartei fest und verzichte auf eine parlamentarische Gestaltung als linke Regierungspartei. Letzteres werde von den Wähler/innen in den ostdeutschen Bundesländern erwartet und finde seinen Ausdruck in Wahlergebnissen von mehr als 20 Prozent. Sie ist dort »Kümmererpartei«. Die Linke ist im Osten stärkste oder zweitstärkste parlamentarische Kraft, in Berlin und Brandenburg in der Regierung. Weniger als 23 Prozent ihrer über 6300 Mandatsträger in Städten, Gemeinden und Kreisen kommen aus den westdeutschen Bundesländern. Die Linke hat heute über 77000 Mitglieder und gewinnt als einzige Partei Neumitglieder. Ihre Sozialstruktur entspricht zunehmend den jeweiligen regionalen Wählergruppen, wobei der Anteil der Rentner in den ostdeutschen Landesverbänden noch immer dominiert. Sie verändert mit dem wachsenden Anteil der westdeutschen Mitglieder auch ihre Sprache und ihr Image. 2006 kamen fast 80 Prozent ihrer Mitglieder aus den ostdeutschen Bundesländern, 2009 sind es nur noch 63 Prozent. Ihre politische Ost-WestGewichtung wurde bereits im Fusionsprozess der beiden Quellparteien WASG und PDS über Kooperationsabkommen ausgeglichen. Alle Gremien wurden Ost-West, PDS-WASG ausbalanciert zusammengesetzt, bis hin zum Delegiertenschlüssel der Parteitage, auch wenn die Delegierten aus den ostdeutschen Bundesländern etwa dreimal so viele Mitglieder repräsentierten wie ein Delegierter aus westdeutschen Landesverbänden. Die Balance in den Führungsgremien der Partei und die hohe Autonomie der Landesverbände bestimmen noch immer den Umgang mit politischer und soziokultureller Heterogenität in der Partei. Das wurde besonders deutlich beim Rückzug von Lafontaine und Bisky, dem entstandenen Machtvakuum und den sich in dieser Zeit verschärfenden Auseinandersetzungen. Dem gewählten Parteivorstand gelang es zunächst nicht, die aufgebrochenen Kontroversen in der Partei produktiv zu machen, also die kultivierten Gegensätze und inhaltlichen Differenzen zur Partei- und Politikentwicklung in eine »entpolarisierte Pluralität« und konsensbildende Streitkultur zu überführen. Die Kämpfe wurden geführt, als ginge es nicht um ein gemeinsames Parteiprojekt und als sei die Frage der Kultur für ein emanzipatives Projekt zweitrangig. Die kulturelle Dimension der unter schiedlichen kollektiven wie individuellen Erfahrungen (auch derjenigen des Scheiterns), der Alltagspraxen, Traditionen und Lebensweisen, die sich zum Teil in Abgrenzungskulturen und habitualisierten Konfliktformen spiegeln, wurden unterschätzt. Das gilt ebenso für die divergierenden Interessenlagen der Beteiligten.

WIE KAM ES DAZU?

Eine Reihe organisationspolitischer Fragen des Parteiaufbaus und vor allem strategischprogrammatischer Entscheidungen wurden angesichts der bevorstehenden Wahlkämpfe zurückgestellt und beförderten Prozesse der Selbstorganisation auseinander treibender politischer Gruppen innerhalb der Partei, die v.a. durch ihre Führungsspitze zusammengehalten wurde. Die neuen Parteistrukturen boten Platz für unterschiedliche Diskurse, Projekte und konkrete Aktivitäten: gemeinsame Kämpfe gegen Hartz IV, für Mindestlöhne, zur Verteidigung demokratischer Rechte und Freiheiten, für friedenspolitisches Engagement und in Kooperationen mit sozialen Bewegungen, vor allem gegen den G8-Gipfel. Divergierende Politik- und Organisationsverständnisse, diverse Politikstile, eine Vielfalt politischer Kulturen und kultureller Codes blieben nebeneinander bestehen – ebenso einander gegenüberstehende autoritäre sozialstaatsorientierte, kommunistische, trotzkistische, links sozialistische und reformistisch-libertäre Gruppierungen. Einige Gruppierungen entwickelten sich seit 2006 zu formalen Parteiströmungen mit eigener Satzung, Gründungsdokumenten, Webseiten, Veranstaltungen, Konferenzen und Sommerschulen. Damit änderte sich das Selbstverständnis: Sie wurden Akteure der organisierten Einflussnahme auf die Parteientwicklung und deren politische Ausrichtung. Inhaltlich unterschiedliche Positionen wurden polarisierend gegeneinander gesetzt. Auf dem Europaparteitag 2009 präsentierte sich die Partei kulturell als Kampfbund divergierender Strömungen. Anders der Parteitag zur Vorbereitung der Bundestagwahlen in Berlin 2009: Hier gelang es, sich gemeinsam als die Partei der sozialen Gerechtigkeit zu profilieren und dies mit vier Kernforderungen zu untersetzen: »Weg mit Hartz IV«, Einführung gesetzlich garantierter Mindestlöhne, »Weg mit Rente mit 67« und »Raus aus Afghanistan«. Dennoch erreichte sie ihre Wählergruppen nicht gleichermaßen: In den früheren westdeutschen Hochburgen – z.B. den Universitätsstädten – blieb sie unter den Erwartungen. Die Linke verdankt ihre Erfolge auch den guten Ergebnissen der Landtagswahlen 2009 im Saarland und in Thüringen – erstmalig verband sich die Wahl der Partei mit einer Machtperspektive gegen Schwarz-Gelb. Das politische Dilemma bestand darin, dass »viele Genossen und Genossinnen eigentlich auf einen ganz anderen Schub gewartet haben: Den Schub von der ›Straße‹ als öffentliche Krisenreaktion«1 . Die parlamentarische Stärkung ist aber bisher kein Ergebnis des außerparlamentarischen Widerstands. Sie ist verbunden mit einer Machtoption der Partei als Teil eines möglichen politischen Projekts zur Verhinderung von Schwarz-Gelb, ohne dass parteipolitische Voraussetzungen für ein positives rot-rot-grünes Projekt auf Bundesebene gegeben sind. Gegenwärtig präsentiert sich Die Linke noch immer als gleichsam informelles Mehrparteienbündnis mit unterschiedlichen Organisations- und Politikverständnissen und konträren Vorstellungen über ihre Rolle und ihren Gebrauchswert. Ihre Vertreter beschreiben sie als antikapitalistisch oder kapitalismuskritisch, als Opposition zum Kapitalismus, zum Neoliberalismus bzw. zur neoliberal ausgerichteten Sozialdemokratie, zur Verteidigung des Sozialstaates oder als systemkritische Partei, die an den Emanzipationspotenzialen der bürgerlichen Gesellschaft anknüpfen will. Klassisch revolutionäre kommunistische, sozial staatskonforme, trotzkistische, reform sozialistischtransfor matorische, bürgerlich-humanistische, spontaneistisch-gewerkschaftliche und emanzipatorisch-libertäre Positionen treffen aufeinander, zusätzlich geprägt durch die sehr unterschiedlichen politischen Hintergründe aus Ost und West. Ihr Umgang miteinander entscheidet über den Charakter der Partei: Wird Andersdenken bloß an den Rändern der Partei geduldet oder als Teil pluraler Identität auch gegen allzu schnelle Gewissheiten gebraucht? Kaum reflektiert wird, dass innere Ab- oder Ausgrenzungs-, noch mehr Ausschließungsprozesse zugleich auf das gesellschaftliche Umfeld von Parteien wirken und neben parteipolitischer Verarmung auch zur Abschließung der Partei gegenüber wichtigen gesellschaftlichen Entwicklungen führen – bis hin zu ihrer Unfähigkeit, mit sozialen Bewegungen zu kooperieren (vgl. den Beitrag von Bernd Riexinger in diesem Heft). Pluralismus und Demokratie drohen leblos zur Fassade zu werden. Eine Partei kann nur als plurale Organisation mit einer Vielzahl von Anschlussmöglichkeiten und Öffnungen gesellschaftlich verankert sein. Nun sind Strömungen nicht neu: Auch das Parteileben der PDS konnte sich auf diverse Gruppierungen stützen und musste ihre strategische Handlungsfähigkeit im Spannungsfeld fragmentierter Identitäten ausbilden – zwischen Altkommunisten aus Ost und West, Linkssozialdemokraten und ehemaligen Maoisten. Die PDS stand vor derselben strategischen Option: pragmatisch »linkes Korrektiv« oder alternatives, systemüberwindendes Projekt zu sein. Heute stellt sich die Frage allerdings vor dem Hintergrund des Zusammenbruchs der SPD-Regierungsbeteiligung und des Scheiterns des markt radikalen Sozialliberalismus. Die Linke teilt ihre parlamentarische Oppositionsrolle mit SPD und Grünen, ein rot-rot-grünes Projekt existiert nicht.

WOFÜR ALSO STEHT DIE LINKE?

Sie präsentiert sich als Kraft für soziale Gerechtigkeit und Frieden, u.a. mit ihrem 10-PunkteSofortprogramm nach den Bundestagswahlen. Ihre konkreten Forderungen beziehen sich auf die Regulierung und Kontrolle der Finanzmärkte, auf die Deprivatisierung und Re-Kommunalisierung öffentlicher Daseinsvorsorge, den Aus- bzw. Umbau des Öffentlichen Dienstes, auf die Rücknahme der Maßnahmen des Sozialstaats- und Demokratieabbaus, insbesondere der Hartz-Gesetze, gegen die Abwälzung der Krisenlasten auf sozial Schwache, auf die Demokratisierung der Wirtschaft durch Ausweitung betrieblicher Mitbestimmung und Belegschaftsbeteiligung. Alle diese Forderungen werden jedoch weder von der Gesamtpartei noch von ihren einzelnen Strömungen in ein alternatives Gesamtkonzept eingebunden und in konkrete Reformalternativen eines sozial- ökologischen Umbaus überführt. Dabei gehen auch die Vorstellungen über die Ziele gesellschaftlicher Entwicklungen auseinander, auch darüber, ob und wie eine Systemüberwindung angestrebt werden soll.

WAS SIND DIE KONKRETEN DIFFERENZEN?2

Sie beziehen sich auf Unterschiede der Kapitalismuskritik, auf die Gewichtung der zentralen Achsen gesellschaftlicher Konfliktlinien, die sich daraus ableitenden Zielgruppen, auf die konkreten Wege und Mittel gesellschaftlicher Veränderung, insbesondere der Eigentumsfrage, und die Frage der Regierungsbeteiligung. Während die einen davon ausgehen, dass Reformen dem Kapitalismus nur in (Klassen)Kämpfen abgerungen werden können, verweisen andere auf die notwendige Weiterentwicklung bürgerlicher Institutionen und die Modernisierung der Verwertungsstrategien. Ausgangspunkt hierfür ist – vor allem für die Vertreter des Forums demokratischer Sozialismus (FdS) – die Überlegung, dass sich trotz der vorherrschenden Kapitaldominanz Bereiche herausbilden können, die nicht der Profitlogik unterliegen und daher unter veränderten hegemonialen Bedingungen Ansätze für alternative Herrschaftsformen bilden können. In einem transformatorischen Prozess könne diese überwunden werden. Das Ziel sei der Sozialismus als eine Gesellschaft, in der jede und jeder gleichen Zugang zu den Grundgütern für ein freies und solidarisches Leben habe. Freiheit ist darin Bezugspunkt sozialistischer Politik, Gleichheit wird als Maß der Teilhabe an Freiheitsgütern angesprochen. Auf der Ebene konkreter parlamentarischer Politik fehlt jedoch die hier geforderte Verknüpfung von Ziel und Praxen, von Tagespolitik und gesellschaftlichen Alternativen, obwohl sich die Vertreter des FdS auf das strategische Dreieck beziehen, das linke Politik innerhalb und außerhalb der Parlamente mit sozialistischer Perspektive verknüpfen soll. Aus der Sicht antikapitalistischer und kommunistischer Positionen muss die Systemfrage mit der Überwindung der »Vorherrschaft kapitalistischer Eigentums- und Produktionsverhältnisse« einhergehen. Insbesondere – so die »Sozialistische Linke« (SL) – müsse »die Vorherrschaft der großen und international operierenden Konzerne und Fonds« überwunden und die demokratische Vergesellschaftung des Finanzsektors erreicht werden.3 Dabei müsse die Partei auf außerparlamentarischen und parlamentarischen Widerstand und Zuspitzung gesellschaftlicher Kontroversen mit Unterstützung sozialer Proteste und Bewegungen orientieren. Inhaltliche Differenzen ergeben sich auch aus der Gewichtung zentraler gesellschaftlicher Konfliktlinien: Vor allem antikapitalistische und gewerkschaftlich geprägte Positionen benennen den Konflikt zwischen »Kapital und Arbeit« als zentralen Konflikt, von dem sich weitere wie die Geschlechterverhältnisse und letztlich auch die Lösung der ökologischen Probleme ableiten. Dabei komme der sozialen Gestaltung und gerechten Verteilung der Erwerbsarbeit und anderer gesellschaftlich notwendiger Arbeiten die Schlüsselrolle zu. Gleichberechtigung der Geschlechter heißt vor allem gleichberechtigte Teilnahme an Erwerbsarbeit, gleiche Löhne, die Vereinbarkeit von Erwerbsarbeit und Familie. Linke Politik müsse in diesem Sinne klassenund zugleich bewegungsorientiert sein. Im Unterschied hierzu betont die Emanzipative Linke (Emali) den Wert von individueller Freiheit als Voraussetzung für Emanzipation, darunter auch die Freiheit von entfremdeter Arbeit im Kapitalismus und das Recht auf ein Bedingungsloses Grundeinkommen. Die Pluralität verschiedener Ausbeutungs- und Unterdrückungsformen müsse zu einer Pluralität solidarisch-emanzipativer Kämpfe entwickelt werden. Es ginge um die Herstellung eines alternativen Mitte-Unten-Bündnisses, zu dem emanzipativ-solidarische Gruppen der sozialen und kulturellen Mitte gehören, bedrohte Mittelschichten und Kerngruppen der Lohnabhängigen, Arbeitslose oder prekär Beschäftigte, Ausgegrenzte, Migranten und Flüchtlinge. Die Geschlechter perspektive wird mit einer Pluralität von Lebensformen verbunden. Auch die Vertreter des FdS gehen von der Pluralität zentraler gesellschaftlicher Konfliktlinien aus, verbinden diese jedoch primär mit der Notwendigkeit politischer, parteiübergreifender Bündnisse wie der Denkwerkstatt und dem Institut für solidarische Moderne, das gesellschaftlich offen auf ein rot-rot-grünes Projekt 2013 orientiert. Nur wird ein solches Projekt ohne die Unterstützung gesellschaftlicher Bündnisse keinen Richtungswechsel der Politik bewirken. Dieser jedoch müsste das Ziel eines rot-rot-grünen Regierungsprojektes sein. Die Frage der Regierungsbeteiligung oder der Tolerierung von rot-roten oder rot-rot-grünen Koalitionen war von Anfang an strittig. Diese Frage beschreibt keineswegs einen Ost-West-Konflikt, ebenso wenig den Konflikt zwischen vermeintlich radikalen und reformerischen Strömungen. Die Position der hessischen Linken, eine rot-grüne Koalition unter Umständen zu tolerieren, wurde vom Landesverband mehrheitlich mitgetragen und bundespolitisch unterstützt. Der Wahlkampf der saarländischen Linken zielte auf Übernahme von Regierungs verantwortung, ohne dass es hierzu innerhalb der Partei ernsthafte Diskussionen gab. Auf Bundesebene wurde eine rot-rot-grüne Koalition 2009 an Bedingungen geknüpft, die wichtigste Forderungen der Linkspartei markierten, aber nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Keine Strömung lehnt die Beteiligung an Regierungen oder die Tolerierung rot-grüner Regierungen grundsätzlich ab. Vielmehr werden Bedingungen formuliert und die Entscheidung an die Durchsetzung von Kernprojekten oder Kernforderungen gebunden. 2006 in Berlin waren das: keine Studiengebühren, keine Privatisierung öffentlicher Daseinsvorsorge. Unterschiedliche Auffassungen gibt es dazu, ob und wie Haltelinien der Politik formuliert werden und wer über darüber bestimmen soll. Die »Antikapitalistische Linke« (AKL) fordert neben den bereits genannten: keine Kürzung von Sozialleistungen, konsequente Friedenspolitik, keine Ausgrenzung im Bildungswesen, keine Verschärfung der Grund- und Freiheitsrechte wie z.B. Abschiebungen. Insbesondere die SL fordert den Ausbau von Arbeitsplätzen im öffentlichen Dienst. Um letzteres wird gestritten zwischen jenen, die die Haushalte der Länder kennen und in parlamentarischer Verantwortung stehen, und jenen, die befürchten, dass gerade unter dem Diktat der Haushaltsdisziplin das soziale Profil der Linken verschwimmt. AKL, »Kommunistische Plattform« (KPF) und Teile der SL warnen mit Verweis auf die Grünen immer wieder vor dem Verlust des friedenspolitischen Profils als Preis von Beteiligungen an (Bundes)Regierungen. Ein ganz anderes Differenz- und Problembündel stellen die organisationspolitischen Fragen dar. Soll Die Linke basisnah und partizipatorisch sein, mit lokalen und bürgernahen Begegnungsmöglichkeiten, in denen die Partei eigene Kompetenzen entwickelt oder sich auf den Ausbau der parlamentarischen Verankerung konzentriert? Dahinter stehen auch unterschiedliche individuelle Erwartungen. Für viele steht die Partei für die gemeinsame Suche nach mehr Gerechtigkeit und/oder gesellschaftlichen Alternativen, für andere repräsentiert sie eine gemeinsame Geschichte oder ist Ort für gesellschaftliche wie gesellige Aktivitäten, für andere bietet die Partei die Möglichkeit beruflicher Karriere oder Einflussnahme, für andere ist sie auch Raum privater Lebensbewältigung. All dies organisationspolitisch zu bearbeiten ist schwierig. Die gesellschaftliche Verankerung einer Partei lässt sich nur umsetzen, wenn die Bedürfnisse der Einzelnen auch in der Partei selbst berücksichtigt bleiben, wenn es Räume zur Selbstbestimmung und Selbstorganisation gibt. Diese Räume muss Die Linke für sich erfinden oder neu entdecken. Dafür darf Parteientwicklung nicht mehr nur als machtpolitisches Projekt alter und neuer Eliten, als Kampf der Strömungen betrieben werden, sondern muss als politisches, soziales und zugleich kulturelles Projekt verstanden werden. Die Aufgabe ist, die Gegensätze konstruktiv zusammenzuführen und gemeinsame Perspektiven zu entwickeln. Dazu müssen die Stärken des jeweils anderen als Ressourcen der Partei zusammengeführt werden. Gleiches gilt für die vielfältigen Erfahrungen aus sozialen, gewerkschaftlichen und parlamentarischen Kämpfen, unterschiedlichen Kulturen des Widerstands und widerständiger Praxen sowie die konzeptionellen Arbeiten in und im Umfeld der Partei.  

Anmerkungen

1 Jörg Prelle, www.rosalux.de/cms/fileadmin/rls_uploads/ pdfs/Prelle_BTW2009_Hessen.pdf. 2 Die Positionen wurden aus den programmatischen Dokumenten der jeweiligen Strömung zitiert. 3 Sozialistische Linke: realistisch und radikal, www.realistisch-und-radikal.de